Die Bürokratie mahlt langsam

Nur zögerlich läuft die deutsche Hilfe für Flüchtlinge aus Syrien an

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Die Deutschen müssten sich fragen, ob sie wirklich alles tun, um die Schwächsten zu schützen, sagte der rheinland-pfälzische Landtagspräsident Joachim Mertes anlässlich des Gedenkens der Naziopfer vor wenigen Tagen. Der Sozialdemokrat rief in seiner Rede vor dem Landtag zu einem menschlichen Umgang mit Flüchtlingen auf. Mertes bemängelte, dass die Welt im syrischen Bürgerkrieg noch immer zu keiner gemeinsamen Flüchtlingspolitik finde.

Fast drei Jahre ist es her, dass der Konflikt in Syrien eskalierte. Meldungen über wahllose Tötungen oder Bootsunglücke von Flüchtenden gibt es häufig. Hoffnungsschimmer wie die vom UN-Sondergesandten Lakhdar Brahimi ausgehandelte Abmachung, dass Frauen und Kinder die belagerte Altstadt von Homs verlassen dürfen, dagegen selten.

Die Vereinten Nationen rechnen damit, dass sich die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien in diesem Jahr von zwei Millionen auf vier Millionen Menschen verdoppeln wird. Auf Hilfe würden dann 9,3 Millionen Syrer innerhalb des Landes und 6,8 Millionen in den Nachbarstaaten angewiesen sein, teilte die Organisation mit. Das sind fast drei Viertel der Gesamtbevölkerung.

Diese Prognose erhöht den Handlungsdruck, der auf den Staaten der Europäischen Union lastet, auch auf Deutschland. Im Dezember haben sich Bund und Länder dazu durchgerungen, das Sonderprogramm für syrische Flüchtlinge in Libanon aufzustocken und die erlaubten Einreisen nach Deutschland auf 10 000 zu verdoppeln. Tatsächlich sind jedoch in den vergangenen zehn Monaten erst knapp 3000 Syrer über dieses Kontingent nach Deutschland gekommen. Das Bundesinnenministerium macht die Behörden in Beirut dafür verantwortlich, weil die nur zögerlich Ausreisevisa erteilten.

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kritisiert dennoch die schleppende Aufnahme von syrischen Flüchtenden. Die Visaerteilung müsse dringend vereinfacht werden, fordert Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Er schlägt vor, Syrern mit Verwandten in Deutschland die Einreise zu erleichtern. Diese könnten in Deutschland eher an ein Visum gelangen, wenn der Bürgerkrieg als »außergewöhnliche Härte« anerkannt würde.

Pro Asyl hält die Aufnahme von weiteren 100 000 syrischen Flüchtlingen in Deutschland für möglich. Viele von ihnen könnten bei Angehörigen unterkommen, erklärt Burkhardt. »Das Grundproblem ist, dass die deutsche Bürokratie langsam mahlt«, kritisiert er. sot

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