Kompromissvorschlag für neue Präambel

Vor dem Europaparteitag der Linken stehen Zeichen auf Einigung / »Antrag der 150« und aus Hessen zusammengeführt

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Berlin. Kurz vor dem Europaparteitag der Linken stehen in der Diskussion um die Präambel des Wahlprogramms die Zeichen auf Einigung. Die federführenden Einreicher der beiden Hauptänderunganträge zur Präambel, der »Antrag der 150« (mehr hier) und der des Landesvorstandes Hessen, haben sich auf eine gemeinsame Formulierung geeinigt und dem Vorstand der Linken die Übernahme des nun zusammengefassten Änderungswunsches empfohlen. Man habe damit einem Wunsch aus der Runde der Landessprecher sowie Empfehlungen aus dem Vorstand entsprochen, heißt es. Aus der Sitzung des Gremiums am vergangenen Wochenende hatte es bereits Signale gegeben, dass für die gesamte Präambel, für die mehrere Änderungsanträge vorliegen, eine Kompromisslösung gefunden werden solle.

In dem nun gemeinsamen Vorschlag, der mit einem Zitat des früheren Linken-Vorsitzenden Lothar Bisky beginnt, heißt es, die Europäische Union stehe »heute an einem Scheideweg: Ein Weiter so führt nicht aus der Krise, der zunehmenden Verarmung und Spaltung zwischen Gewinnern und Verlierern, zwischen oben und unten in den Mitgliedsstaaten der EU. Die EU hat ihr Ziel, Frieden – auch sozialen – zu schaffen und zu erhalten, aus den Augen verloren.« Dem wolle die Linkspartei das Angebot eines Europas unterbreiten, »das sozialer, gerechter, ökologischer, feministischer, friedlicher und weltoffener ist«.

Bereits am vergangenen Wochenende hatte sich die Spitze der Linken darauf geeinigt, eine umstrittene Passage aus der Präambel des Leitantrags zum Wahlprogramm zu streichen. In der ursprünglichen Fassung hieß es: »Spätestens seit dem Vertrag von Maastricht wurde die EU zu einer neoliberalen, militaristischen und weithin undemokratischen Macht, die nach 2008 eine der größten Krisen der letzten 100 Jahre mit verursachte. Viele verbanden mit der EU: mehr internationale Solidarität. Heraus gekommen sind mehr faschistische Parteien, rechtspopulistische Hetzer und mehr Menschenjagd in und an den Grenzen der EU.«

Unter anderem Gregor Gysi hatte sich für eine Neuformulierung ausgesprochen. Die Passage hatte über Wochen für Diskussionen gesorgt, bei der unter anderem die Beurteilung des Zustands der Europäischen Union und auch der Ton, in dem die Linke diesen kritisiert, im Zentrum standen. Wer die EU nur in düsteren Farben ausmale, hieß es auch in dieser Woche noch aus der Spitze der Linken, laufe Gefahr, die Menschen von den Wahlurnen zu vertreiben. Stattdessen müsse bei aller Kritik das Veränderungspotenzial der Union offensiv angesprochen und mit den Zielen der Linkspartei verknüpft werden.

»Der Prozess der europäischen Integration und die Entwicklung der Europäischen Union waren immer auch mit der Hoffnung auf Frieden und sozialen Fortschritt verbunden«, heißt es nun in dem gemeinsamen Antrag für eine neue Präambel. »Spätestens mit dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 und der Politik der Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds ist diese Hoffnung enttäuscht worden. Mit der Kürzungs- und Privatisierungspolitik sowie dem Fiskalpakt werden auf breiter Front soziale Errungenschaften zunichte gemacht, zivile und gewerkschaftliche Rechte beschnitten, die Demokratie ausgehöhlt und Menschenrechte mit Füßen getreten.«

Gemeinsam mit Partnern in Europa und sozialen Bewegungen sowie Gewerkschaften habe die Linkspartei »konkrete Alternativen formuliert, die wir europaweit zur Diskussion stellen werden«. Man knüpfe mit dem gemeinsamen Spitzenkandidaten der Europäischen Linken, dem Vorsitzenden des griechischen Linksbündnisses SYRIZA, Alexis Tsipras, »an die eindrucksvoll geführten Kämpfe in Griechenland gegen sozialen Kahlschlag und Erwerbslosigkeit, gegen Faschismus und militärische Interventionen – für solidarische Alternativen an«. Die Zeit, so der neue Präambel-Vorschlag, »für grundlegende Veränderungen der Politik ist gekommen«.

Derweil hat der frühere Vorsitzende der Linken, Oskar Lafontaine, die Entscheidung des Parteivorstandes, die umstrittene Präambelpassage aus dem Leitantrag zu streichen, kritisiert. Auch wenn der Satz nun nicht mehr in dem Entwurf stehe, fänden sich an anderen Stellen ähnliche Aussagen, sagte Lafontaine der »Saarbrücker Ueitung«. Die ganze Debatte sei ein »Sturm im Wasserglas«, so der Fraktinosvorsitzende der Linken im Saarland. Er und Fraktionschef Gregor Gysi hätten 2007 zudem ein Memorandum gleichen Inhalts veröffentlicht. »Darin warnen wir zum Beispiel vor einer zunehmenden Militarisierung der EU-Außenpolitik«, sagte Lafontaine. nd

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