Sturm ums Wasserglas in der Knesset

EU-Parlamentspräsident Schulz zieht sich in Israel den Zorn der Rechten zu - erhält aber auch Zustimmung

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
EU-Parlamentspräsident Schulz hat mit einer Rede vor der Knesset Israels Rechte verärgert: Sie wirft ihm Lüge vor. Doch der Politiker erhält auch viel Zustimmung.

Es war nur ein Satz. »Der hat aber eine ziemliche Wirkung gehabt«, sagt Ronit Mor. Sie ist Lehrerin und Gewerkschafterin, hatte am Donnerstagmorgen ziemlich viel zu tun, wie sie sagt: »Die Schüler werden immer kritischer, auch wenn das dem Bildungsministerium nicht recht ist. Die Jugendlichen wollten wissen, ob das mit dem Wasser stimmt, und das nicht nur in in den Klassen, die ich unterrichte.«

Die Sache mit dem Wasser: Ein palästinensischer Jugendlicher habe ihn gefragt, warum Israelis 70 Liter Wasser am Tag verbrauchen können, und Palästinenser nur 17. Er habe die Daten nicht überprüft; er frage die Abgeordneten, ob dies stimme, hatte der deutsche Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), am Mittwoch in einer auf Deutsch gehaltenen Rede vor der Knesset, dem israelischen Parlament, gesagt - was für heftigen Streit zwischen rechten und linken Politikern sorgte und die Wasserthematik auf Israels Tagesordnung befördert.

Handelsminister Naftali Bennett, Vorsitzender der den Siedlern nahe stehenden Partei »Das jüdische Haus«, wirft Schulz »Lüge« vor; seine Fraktion verließ noch während der Rede den Saal. »Ich sitze nicht in der Knesset und höre mir von einem Europäer und schon gar nicht einem Deutschen solche Dinge an«, sagte er in der anschließenden Debatte. Regierungschef Benjamin Netanjahu, der die Rede mit versteinerter Miene verfolgt hatte, warf Schulz, der zudem die Siedlungen als Hindernis für den Frieden bezeichnet und die Abriegelung des Gazastreifens kritisiert hatte, »selektive Wahrnehmung« vor.

Schulz, der sich in weiten Teilen seiner Rede hinter Israel gestellt hatte, sagte dem ZDF, er sei »betroffen und enttäuscht«, aber er könne nicht nur Dinge sagen, die allen gefallen. Doch am Tag nach dem Eklat erhielt er auch sehr viel Zustimmung. In einem Kommentar der Zeitung »Jedioth Ahronoth« wird Schulz› Wasserfrage als »legitim« bezeichnet und Bennetts Vorwurf der Lüge kritisiert: »Schulz selbst hat gesagt, dass er die Fakten nicht geprüft hat. Und die Abgeordneten von ›Das jüdische Haus‹ haben sie auch nicht geprüft.« Sie hätten ihm seine Aussage nicht widerlegen können. Und auch Avi Primor, einst Israels Botschafter in Deutschland, nahm Schulz in Schutz: Er habe eine »sehr schöne, sehr gute Rede« gehalten, sagte Primor dem Kölner Deutschlandfunk: Die Extremisten lauerten sowieso immer und suchten irgendeinen Fehler. Es stimme, dass sich Israelis »viel besser« beim Wasser bedienen als die Palästinenser.

Nur die genauen Zahlen sind ein Mysterium: Zwar gibt es einen Weltbank-Bericht, der Israelis einen 4,4 mal höheren Wasserverbrauch pro Kopf bescheinigt, also sogar etwas mehr als die von Schulz genannte Menge. Doch diese Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2007 und stützen sich ausschließlich auf Angaben der Palästinensischen Autonomiebehörde. Die wiederum sagt, dass man damals nur das von den Palästinensern selbst geförderte Wasser in die Statistik einbezogen habe. Weil dafür aber nur eine begrenzte Anzahl an Brunnen zur Verfügung steht, wird zusätzliches Wasser von Israel eingekauft.

Der israelische Wasserversorger geht von einem bis zu 1,2 mal höheren Wasserverbrauch aus, wobei auch diese Aussage auf Zahlen beruht, die mehrere Jahre alt sind. Diese Angaben, so ein Sprecher, seien schon allein deshalb überholt, weil damals die Verfügbarkeit von Wasser in den palästinensischen Autonomiegebieten durch schlechte Infrastruktur niedriger als möglich gewesen sei: »Mittlerweile ist da viel unternommen worden - auch mit Hilfe der Europäischen Union.«

Allerdings nicht genug, wie Israels Präsident Schimon Peres am Donnerstag erklärte: »Die Angleichung der Versorgung mit Strom und Wasser muss unser Ziel sein.« Er forderte, die Debatte zum Anlass zu nehmen, stärker auf dieses Ziel hinzuarbeiten.

Und wie hat Lehrerin Mor auf die Fragen ihrer Schüler geantwortet? »Ich bitte die Jugendlichen, ihren eigenen Wasserbrauch zu überprüfen. Die Debatte sollte für uns Anlass sein, effizienter mit dem Wasser umzugehen.«

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