Skicross im Langlaufstadion

Ein spannendes Rennen der Nordischen Kombinierer endet mit dem Doppelsieg Norwegens

  • Oliver Händler, Esto-Sadok
  • Lesedauer: 4 Min.
Zwei Norweger gewinnen in der Nordischen Kombination. Fabian Rießle holt Bronze und räumt dabei einen Kollegen aus dem Weg.

Es gab Zeiten, da interessierten sich nicht mehr viele Zuschauer für die Nordische Kombination. Mitte der 90er Jahre sprangen die Japaner allen davon und liefen dann einsam durch den Wald zu ihren Medaillen. Doch die Sportart hat zur Spannung zurückgefunden. Den Höhepunkt dieser Entwicklung bot das olympische Langlaufrennen nach dem Springen von der Großschanze am Dienstag in Esto-Sadok. Im Ziel lagen sich mit Joergen Graabak und Magnus Moan zwei Norweger glücklich in den Armen. Der Freiburger Fabian Rießle gewann im Dauerregen Bronze, doch es hätte auch alles ganz anders kommen können.

Wenn Eric Frenzel nicht zwei Tage zuvor eine Virusinfektion erwischt hätte, wäre er vielleicht wieder allen davongelaufen. So konnte der Olympiasieger von der Normalschanze die acht Sekunden Vorsprung nach dem Springen nicht mal eine Minute lang verteidigen, und in der letzten Runde verlor er den Anschluss zur zehnköpfigen Führungsgruppe. »Es war trotzdem ein guter Tag. Das Springen war wieder 1 A! Und im Laufen fehlte noch der letzte Punch. Aber jetzt sind die Rohre wieder frei für den Teamwettbewerb«, schaute der Oberwiesenthaler auf den letzten Wettkampf am Donnerstag voraus.

Und hätte Björn Kircheisen aus Johanngeorgenstadt nicht schon 1300 Meter vor dem Ziel seine Attacke gestartet, wäre er vielleicht noch zu einem schnellen Zielsprint in der Lage gewesen. So wurde er bei der Einfahrt ins Stadion von Rang eins auf Platz vier durchgereicht. »Ich habe alles probiert und alles auf eine Karte gesetzt. Es ist so ärgerlich, weil ich so nah dran war«, klagte Kircheisen nach dem Rennen. Tränen rannen ihm dabei übers Gesicht. »Wir wollten zusammenarbeiten, und es hat auch alles funktioniert mit einer Super-Teamleistung«, beschrieb er die Taktik der deutschen Kombinierer, mit der sie nach vier Kilometern Aufholjagd zu Frenzel in die Führungsgruppe gelaufen waren. »Zum Schluss habe ich alles gegeben, um wegzukommen. Ich war sogar schon weg und ich hatte schon vor mir gesehen, wie ich es heute schaffe. Doch dann wollte mein Körper nicht mehr so, wie ich wollte.«

Wäre dem auf Platz zwei liegenden Johannes Rydzek nicht Teamkollege Rießle in der vorletzten Kurve in die Parade gefahren, hätte er sich wohl mindestens über Silber freuen dürfen. »Ich wollte auf Platz zwei durch die letzte Kurve und dann angreifen, aber den Plan hatten viele. Und dann lag ich auf dem Boden.«

Zunächst meckerte Rydzek Rießle an, um ihn nur Sekunden später doch wieder zu umarmen. »Die Emotionen sind nach dem Rennen sehr groß. Da darf aber kein Zwist entstehen. Für die Mannschaft müssen wir zusammenhalten. Er hat das auf keinen Fall mit Absicht gemacht und seine Medaille verdient gewonnen«, zeigte Rydzek Sportsgeist.

In dem für olympische Ansprüche viel zu engen Zielgelände wurde aus der Nordischen Kombination plötzlich also Skicross, jener Wettbewerb, der erst am Donnerstag auf dem olympischen Programm steht, und bei dem sich die Kontrahenten regelmäßig gegenseitig aus dem Kurs katapultieren. Die Snowboarder hatten ihr Cross-Rennen auch am Dienstag, wenige Stunden vor den Kombinierern. »Ich habe meinen Freund Paul Berg noch im Fernsehen beobachtet, den es auch so erwischt hat. Und er konnte genauso wenig dafür. Einfach abhaken, und dann im Team angreifen«, sagte Rydzek.

Zu guter Letzt: Wäre der Weltcupsechste Mikko Kokslien nicht so schlecht mit der Schanze im RusSki Gorki Center zurecht gekommen, hätte Norwegens Trainerteam womöglich Joergen Graabak wie schon von der Normalschanze gar nicht starten lassen. Doch so erhielt der 22-Jährige aus Trondheim seine Olympiachance und nutzte sie im Stile Eric Frenzels. Wie der Deutsche sechs Tage vorher wartete auch Graabak lieber auf die letzte Abfahrt, anstatt schon im Anstieg anzugreifen. Aus dem Windschatten heraus fuhr er an Kircheisen vorbei und gewann das Rennen. »Das ist irgendwie surreal. Mal sehen, ob ich das jemals kapieren werde«, sagte der Gewinner. Er wusste, dass er an diesem Tag nicht nur der Stärkste, sondern auch der Glücklichste war.

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