Das dreckige halbe Dutzend

Im Kino: »The Monuments Men« von George Clooney

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 5 Min.

Ist ein Kunstwerk es wert, dass dafür Leben geopfert werden? Diese Frage steht am Anfang von George Clooneys Versuch einer Würdigung der »Monuments Men«. Die Spezialeinheit der US-Armee versuchte in der Endphase des Zweiten Weltkriegs, europäische Kunstschätze vor der Zerstörung durch die deutsche oder die eigene Armee zu schützen. Dabei mussten zahlreiche Widrigkeiten überwunden werden: Die Nazis hatten die zusammengeraubten Schätze in geheimen Minen und Salzstöcken versteckt. Zudem waren die US-Offiziere alles andere als begeistert über die kunstbewegten Störenfriede, die in den eigenen Reihen den Kriegsablauf behinderten. Und dann galt es auch noch, die Rote Armee beim Rennen um die Kostbarkeiten auf Distanz zu halten.

Die etwa hundert von Präsident Roosevelt 1943 über den großen Teich geschickten Koryphäen dampft Regisseur und Darsteller Clooney auf eine verschworene Gruppe von einem dreckigen halben Dutzend alternder Haudegen ein. Bereits bei deren Rekrutierung wird hier auf Rezepte zurückgegriffen, die längst als überwunden galten. Denn Clooney verschreibt sich einem Prinzip, das dem Kriegsfilm bis 1985 zahlreiche Exemplare der Actionfilm-Spezies »militärische Spezialeinheit« bescherte - ein Subgenre, das gerade wieder sein schauriges Haupt zu heben beginnt (siehe »The Expendables«).

So wird man das Gefühl nicht los, das alles irgendwo schon einmal gesehen zu haben, etwa wenn die internationalen Fachleute für den hehren Auftrag aus dem Ruhestand geholt werden. Dorthin waren sie einst nicht ohne Grund geschickt worden: »Er ist labiler Alkoholiker!« »Egal. Wir brauchen ihn - er ist der beste seines Fachs!« Solche Sätze fallen in zahllosen Söldner- und Überfall-Filmen während der Coup-Vorbereitung. Und so macht Clooney schnell deutlich, in welches Fahrwasser er sich mit der wahren und eigentlich aufregenden Geschichte begeben will: Das der handfesten und zünftig-kernigen Männerbünde à la »Die Wildgänse kommen«, »Die Kanonen von Navarone«, »Ocean's Eleven« und natürlich »Das dreckige Dutzend«.

Diesen Filmen gemein ist nicht nur das Prinzip des zusammengewürfelten, zunächst unwilligen Haufens, der sich dann aber bravourös schlägt. Es herrscht auch allerorten ein anstrengend komödiantischer Grundton, ein unangenehm schenkelklopferischer Buddy-Humor, der besonders in den erwähnten Kriegsfilmen bitter aufstößt.

So spannend das paneuropäische Puzzlespiel um die versteckten Altäre, Skulpturen und Ölgemälde in Ansätzen auch inszeniert ist - das permanente, fast zwanghafte Augenzwinkern im Spiel der Gentlemen-Soldaten schüttet die zum Mitfiebern notwendige Tiefe regelmäßig einfach zu.

Auch erscheinen die Spruch- und Kalauer-Kanonaden dem historischen Hintergrund von Krieg und Judenmord in keiner Weise angemessen. Natürlich gibt es hervorragende Nazi- und sogar Holocaust-Komödien. Die Klasse von »Das Leben ist schön« oder »Der große Diktator« kann »The Monuments Men« aber nicht erreichen - dafür wagt sich der Film wiederum nicht weit genug vor mit seinem Witz. Zu sehr möchte er außerdem Lehrstück und moralischer Anwalt der US-Armee sein. Der Zweite Weltkrieg erscheint als Illustration eines Jagdausflugs alternder Schulkameraden.

Und so hat Clooney auch keinen Anti-Kriegsfilm gemacht. Im Gegenteil, es ist ein Plädoyer für den »guten« Krieg. Einen Krieg, der nicht nur die Menschenrechte im Gepäck hat, sondern auch noch auf die Opas mit den Ölgemälden Rücksicht nimmt. Hätte man nicht gerade die Kriege in Irak und Afghanistan erlebt - man wäre fast empfänglich für diese, ja, Propaganda. Nicht nur sind bei diesen »humanistisch« orchestrierten, jüngeren Kriegen die proklamierten Menschenrechte verschütt gegangen, auch waren die Waffengänge mit schlimmster Kunstplünderung und Kulturvernichtung verbunden.

Umso ärgerlicher sind geradezu kriegsverherrlichende Zeilen der »Monuments Men« wie: »Noch nie habe ich mich so lebendig gefühlt« (unter Beschuss) oder: »Bitte, nehmen Sie mich mit! Das ist meine letzte Gelegenheit beim Krieg dabei zu sein!«

Was an Humor, Ideologie und dramaturgische Zögerlichkeit verschenkt wurde, kann auch das großartige Ensemble aus George Clooney, Matt Damon, Cate Blanchet, John Goodman und vor allem Bill Murray nur ansatzweise retten. Besonders Murray trägt den Film, er ist die heimliche Hauptperson und vermag es noch am ehesten, dem beschriebenen Humor eine tragische Note zu verpassen. Die vortreffliche Cate Blanchet wiederum kann wahrscheinlich gar nicht schlecht spielen, dennoch steht sie hier auf verlorenem Posten. So wichtig ihre Figur ist, die als Sekretärin heimlich die Herkunft und Destination tausender geraubter Kunstwerke in Frankreich notiert - als Filmcharakter bleibt sie blass und verhuscht.

Hätte Clooney doch eine konsequente Komödie inszeniert, ein »Oceans Eleven« im Offizierskasino oder ein familientaugliches »Inglorious Basterds« - oder eben, im Gegenteil, eine nachdenkliche, harte Abhandlung über Kunst als Opfer jeden Krieges. Der Mittelweg, den er wählt, führt jedoch auch an triefendem Kitsch nicht vorbei: Im Off verlesene Briefe in die Heimat oder Ansprachen an die Kameraden werden von ganzen Symphonie-Orchestern untermalt. Einzelne Kunstwerke werden personalisiert, deren Rettung zum einzigen Erfolgskriterium erklärt. Die exzessive Trauer um einen gefallenen Freund steht in keinem Verhältnis zur gleichzeitigen, millionenfachen Schlächterei in einer brennenden Welt.

Immerhin, die antifaschistischen Verdienste der Sowjetunion werden nicht direkt in den Schmutz gezogen, ein Nebensatz verweist sogar auf die 20 Millionen Toten, die der Krieg gegen Hitler die UdSSR kostete - bevor die US-Armee 300 000 Soldaten opferte. Aber es wird keine Gelegenheit ausgelassen, zu betonen, wer die eigentlichen (wenn schon nicht zuerst militärischen, so doch mindestens moralischen) Retter Europas waren.

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