Schwarze Liste wird länger

Neue Sanktionen gegen Russland

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.
Als Reaktion auf die von Russland vorangetriebene Abspaltung der ukrainischen Halbinsel Krim haben die Europäische Union und die USA weitere Sanktionen verhängt.

»Die Krim ist und bleibt für immer ukrainisch, ungeachtet der Versuche einer russischen Okkupation«, ließ die ehemalige ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko am Montag wissen und forderte internationale Strafmaßnahmen für »alle an der militärischen Aggression gegen unseren Staat Beteiligten«. Zur selben Zeit grübelten die EU-Außenminister in Brüssel darüber, wie solche Strafen aussehen könnten. Bisher hatten die EU-Staats- und Regierungschefs lediglich die Verhandlungen über Visa-Erleichterungen und ein neues Rahmenabkommen mit Moskau ausgesetzt. Nun forderte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton »das stärkstmögliche Signal« an Moskau, um der russischen Führung den »Ernst der Lage« zu verdeutlichen.

Die Schwierigkeit war nur, dass nicht alle in der Europäischen Union diesem Diktum folgen wollten. Bulgarien etwa werde sich voreiligen und harten Sanktionen widersetzen, konnte man in der Montagausgabe der regierungsnahen Sofioter Zeitung »Standart« lesen. Man dürfe nicht erwarten, dass sein Land zu den »Falken« gehört, erklärte der Chef der regierenden Sozialisten, Sergej Stanischew. Schließlich habe man neben den EU- auch die nationalen Interessen zu berücksichtigen: Bulgarien ist im Energiebereich fast völlig von Russland abhängig.

Chronik

Seit Monaten durchleidet die Ukraine eine tiefe Krise:

21. November 2013: Die Regierung in Kiew legt ein Abkommen zur Assoziierung mit der EU auf Eis und wendet sich Russland zu.

1. Dezember: Bis zu 500 000 Menschen protestieren auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew.

19. bis 22. Januar 2014: Heftige Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Polizei. Bis Monatsende gibt es vier Tote und 500 Verletzte.

25. Januar: Opposition lehnt Regierungsbeteiligung ab.

28. Januar: Ministerpräsident Mykola Asarow tritt zurück.

18. bis 20. Februar: Bei Straßenkämpfen sterben fast 90 Menschen.

21. Februar: Auf Vermittlung dreier EU-Außenminister und eines russischen Abgesandten vereinbaren die Oppositionsführer und Präsident Janukowitsch vorgezogene Präsidentenwahlen, Übergangsregierung und Verfassungsreform.

22. Februar: Das Parlament enthebt Janukowitsch seines Amtes und setzt Präsidentschaftswahlen für den 25. Mai an.

26. Februar: Russische Militärübung an der Grenze zur Ukraine. Auf der Krim Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern der neuen Kiewer Führung.

27. Februar: Das Krim-Parlament setzt die Regierung ab und eine Volksbefragung über den künftigen Status der Region an.

1. März: Der russische Föderationsrat stimmt auf Bitten Wladimir Putins einem Militäreinsatz in der Ukraine im Grundsatz zu. Der Krim-Premier hatte um Beistand gebeten.

3. März: In Brüssel verurteilen die EU-Außenminister die Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine.

6. März: Die EU beschließt einen Sanktionsplan gegen Russland. Bewaffnete verwehren OSZE-Beobachtern den Zugang zur Krim.

7. März: Moskau stellt der Krim die Eingliederung in die Russische Föderation in Aussicht.

9. März: Protest in der Süd- und Ostukraine gegen die neue prowestliche Regierung in Kiew.

11. März: Krim-Parlament erklärt die Halbinsel für unabhängig.

12. März: G7-Staaten warnen Russland vor der Krim-Annexion.

14. März: Keine Einigung beim Treffen der Außenminister Russlands und der USA in London.

15. März: Veto Russlands gegen eine Resolution des UN-Sicherheitsrates gegen das Referendum auf der Krim.

16. März: Die Bürger der Krim stimmen für die Abspaltung der Krim von der Ukraine.

17. März: EU-Außenminister beschließen weitere Sanktionen gegen Moskau. Agenturen/nd

 

Ein Problem, das in abgestufter Weise viele in der Union kennen. Beide Seiten sind wirtschaftlich eng verflochten. Russland ist nach den USA und China drittgrößter Handelspartner der EU, umgekehrt wickelt man sogar rund die Hälfte des eigenen Außenhandels mit EU-Staaten ab. Etwa 45 Prozent ihres Erdgas- und rund ein Fünftel ihres Erdölbedarfs deckt die EU mit Lieferungen aus Russland; rund 70 Prozent des russischen Gasexports gehen in die Union, wobei Deutschland der größte Einzelabnehmer ist. Die EU wiederum exportiert vor allem Maschinen, Autos, Transportausrüstung, Chemikalien und landwirtschaftliche Erzeugnisse. 2012 erreichten diese Lieferungen den Rekordwert von 123 Milliarden Euro (Deutschland lag bei 38,1 Mrd. Euro). Die russischen Exporte hatten einen Wert von 212,9 Milliarden Euro, davon für 42,5 Milliarden Euro nach Deutschland.

Diese gegenseitige Abhängigkeit beeinflusst natürlich Entscheidungen in Brüssel. Einen anderen Punkt formulierte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn gestern mit Blick auf die Krim so: »Ich glaube, auch mit den stärksten Sanktionen der Welt werden wir den Status quo nicht mehr herstellen.« Er erwarte nicht, dass die Entwicklung so rückgängig gemacht werden könne. Was die Krim angehe, sei eben etwas »realpolitisch« geschehen.

Schließlich einigten sich die 28 EU-Außenminister auf eine Liste von 21 Personen, gegen die Einreiseverbote verhängt und deren Konten gesperrt werden. Betroffen seien 13 Russen, darunter zehn Duma-Abgeordnete und Mitglieder des Föderationsrates sowie drei hohe Militärs, und acht Spitzenpolitiker der Krim. Wen genau die zunächst auf sechs Monate beschränkten Strafmaßnahmen treffen, werde man zeitnah im EU-Amtsblatt veröffentlichen.

Zuvor hatte bereits die Washingtoner Regierung ihre Sanktionen verschärft. Sie blockierte das US-Vermögen von sieben ranghohen russischen Regierungsvertretern und Parlamentariern, darunter Vizeministerpräsident Dmitri Rogosin. Zudem wurden der entmachtete ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch, der von Kiew und vom Westen nicht anerkannte Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow sowie zwei weitere moskautreue Ukrainer auf die Sanktionsliste gesetzt. Auch das Weiße Haus sprach von einer »starken Botschaft« und drohte der russischen Regierung mit zusätzlichen »politischen und wirtschaftlichen Kosten«, sollte sie weiter internationales Recht brechen und ihre Truppen auf der Krim nicht umgehend in die Kasernen zurückbeordern.

Die EU-Außenminister bezeichneten die Volksabstimmung auf der Schwarzmeerhalbinsel gestern als illegal und völkerrechtswidrig. Ob vor diesem Hintergrund der nächste Schritt der Europäer tatsächlich umfassende Wirtschaftssanktionen sein werden, darüber könnten bereits am Donnerstag in Brüssel die EU-Staats- und Regierungschefs bei einem Gipfeltreffen entscheiden. Dann soll auch der politische Teil des fertig ausgehandelten Partnerschaftsabkommens mit der Ukraine unterschrieben und so Kiews neuer Westkurs unterstützt werden. Debattiert wird zudem ein Fernbleiben der EU-Staaten beim geplanten G8-Gipfel der wichtigsten Wirtschaftsnationen Anfang Juni im russischen Sotschi.

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