Wo Gift-Öl kein Problem sein soll

Im niedersächsischen Wunstorf wird befürchtet, dass Grundwasser verseucht wurde

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Gefährdet giftiges Öl einer ehemaligen Fabrik bei Wunstorf in Niedersachsen das Grundwasser? Klären sollten das Untersuchungen, doch die wurden 2004 gestoppt. Zu früh und fahrlässig, heißt es nun.

Ein umweltpolitischer Brennpunkt ist die ehemalige Asbesthalde bei Wunstorf nahe Hannover bereits seit Jahren. Noch immer ist nicht entschieden, was mit rund 170 000 Tonnen giftigen Asbestschlamms geschehen soll, die auf dem Gelände lagern. Doch nicht nur diese Altlast hat die 1990 aufgelöste Fulgurit GmbH hinterlassen. Jahrzehntelang ist auf dem Gelände umweltgefährdendes Öl in den Erdboden gesickert, ins Grundwasser gelangt: Krebs erregendes Schweröl aus einem undichten Lagerbunker und ähnlich giftiges Schalöl aus einer defekten Maschine.

Der Landkreis Hannover ordnete seinerzeit Sanierungsmaßnahmen an, regelmäßige Bodenkontrollen auf dem Gelände folgten. Als Nachfolgerin des Kreises in der Zuständigkeit verfügte im Jahr 2004 dann die rot-grün geführte Region Hannover: Die Untersuchungen werden eingestellt. Hat die Behörde bei dieser Entscheidung bedrohliche Messwerte in punkto Ölbelastung ignoriert? Anlass zu dieser Frage geben aktuelle Berichte des NDR.

Den Fernsehleuten liegen Gutachten vor, die auch den Regionalbehörden bekannt sind und besagen: Noch im Jahr 2004 wurden unter dem Fulgurit-Gelände 3700 Mikrogramm Öl pro Liter Grundwasser festgestellt. Das ist zehntausendmal mehr als der zulässige Grenzwert. Ende Februar hatte der NDR den Umweltdezernenten der Regionsverwaltung, Axel Priebs (SPD), mit diesem Ergebnis konfrontiert.

Doch der wiegelte ab. Der hohe Messwert sei wohl ein »Ausreißer«, der schon durch sehr kleine Ölmengen hervorgerufen werden könne. Es reiche, wenn da mal jemand »seine Heckenschere nachgetankt« habe und etwas Öl auf den Boden gelangt sei. Die Sanierung des Geländes seinerzeit sei erfolgreich gewesen, es gebe kein Problem, »Handlungsbedarf« liege nicht vor, weitere Untersuchungen seien nicht erforderlich.

Doch die Beharrlichkeit des Dezernenten ist inzwischen offenbar ins Wanken gebracht worden. Nachdem sich der Umweltausschuss des Landtages dieser Tage mit der Sache befasst hatte, erklärte Priebs vor Journalisten: »Damit die Menschen hundertprozentig sicher sein können, werden jetzt in Abstimmung mit dem Land umfangreiche Messungen gemacht.«

Hat die politische Ebene, haben der Fernsehbericht und auch Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) den Regionsdezernenten auf Trab gebracht? Denkbar, denn auch Wenzel äußerte sich kritisch über den Untersuchungsstopp von 2004, vor allem mit Blick auf ein Gutachtens des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie. Es stellt fest, dass auf dem Gelände trotz der Sanierung ein massiver Ölschaden vorliegt. Und der mache weitere Erkundungen notwendig, heißt es weiter.

Nach Ansicht der Opposition im Landtag ist die Region Hannover mit den Umweltproblemen in Wunstorf »völlig überfordert«. Der christdemokratische Langtagsabgeordnete Hans-Joachim Deneke-Jöhrens sagte nach der Sitzung des Umweltausschusses in Hannover: »Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Region 2004 die Beobachtung des Grundwasserkörpers gegen den ausdrücklichen Rat von Experten eingestellt hat. Diese Frage wird sich Umweltdezernent Priebs gefallen lassen müssen.«

Die andere Frage zum Fulgurit-Gelände, was mit dem Asbestschlamm geschehen soll, ist nach wie vor offen. Versuche, die Altlast zu Deponien in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein zu karren, waren 2012 gescheitert. Beide Länder wollten den Dreck nicht haben. Insider gehen davon aus, dass die Regionalversammlung demnächst entscheidet: Die Halde bleibt, sie wird abgedeckt.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal