Der Sockel muss her

Öffentlicher Dienst: Zehntausende Beschäftigte von Bund und Kommunen im Warnstreik

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Vorfeld des dritten Verhandlungsrunde für den öffentlichen Dienst in Bund und Kommunen traten tausende Beschäftigte in den Warnstreik.

»Irre, so viele.« Die Stimme der Frau klang aus den Lautsprechern über den Opernplatz in Hannover. Rund 20 000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in Bund und Kommunen waren am Dienstag dem Warnstreikaufruf ihrer Gewerkschaften gefolgt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, der Deutsche Beamtenbund dbb und tarifunion, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW) sowie die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verhandeln derzeit für bundesweit rund 2,1 Millionen Tarifbeschäftigte beispielsweise in Kitas, Schulen, im Öffentlichen Personennahverkehr, bei der Polizei oder der Müllabfuhr.

Nicht nur in den großen Städten Niedersachsens stand der Nahverkehr. Busse und Bahnen blieben in den Depots. Auch in Hessen, Niedersachsen, Bremen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland blieben Kitas dicht, hielten Krankenhäuser und Behörden nur einen Notdienst aufrecht, blieben Müllcontainer ungeleert. Insgesamt beteiligten sich 53 000 Beschäftigte an den Warnstreiks.

Die Gewerkschaften fordern pauschal 100 Euro mehr im Monat und dazu 3,5 Prozent Erhöhung der Löhne und Gehälter. Überdies soll die unbefristete Übernahme von Auszubildende im neuen Tarifvertrag festgehalten werden. Vor Beginn der dritten Verhandlungsrunde am kommenden Montag in Potsdam wollten die Beschäftigten noch einmal Druck machen. Allerdings läuft die diesjährige Tarifrunde verglichen mit den Vorjahren relativ glimpflich ab.

Die zweite Verhandlungsrunde vorige Woche war von Gewerkschaftsseite als äußerst konstruktiv beschrieben worden. Nachdem die Arbeitgeber zunächst den Sockelbetrag kategorisch abgelehnt hatten, sagte der Verhandlungsführer für den Bund, Innenminister Thomas de Maiziére (CDU), dass die Arbeitgeber zu einer »sozialen Komponente« bereit seien. Das tat jedoch der Streikbereitschaft keinen Abbruch. »Das zeigt, dass die Forderungen nicht im stillen Kämmerlein verabschiedet werden«, so ver.di-Sprecher Christoph Schmitz, »sondern im Vorfeld breit diskutiert.« »Die Beschäftigten verteidigen ihre Forderungen auch öffentlich vertreten«, so der Gewerkschafter.

»Es waren konstruktive Gespräche letzte Woche. Wenn das so weitergeht, könnte es am Ende der dritten Verhandlungsrunde zu einer Einigung kommen«, sagte dbb-Sprecher Frank Zitka. Er sei optimistisch, dass die Arbeitgeberseite den von ihr so ungeliebten Sockelbetrag »langsam zu akzeptieren lernt«. Anfangs habe es den Anschein gehabt, »dass sie sich auf eine soziale Komponente überhaupt nicht einlassen wollen«.

Eine Annäherung gebe es, sagt auch Schmitz. »Um zu einer Einigung zu kommen, müssten sich die Arbeitgeber aber in zentralen Punkten noch bewegen.« Es gehe auch darum, die große Entgeltlücke zwischen der freien Wirtschaft und dem öffentlichen Dienst zu schließen. In den nächsten Jahren gehen hunderttausende Beschäftigte in den Ruhestand. Darum müsse das Arbeiten im öffentlichen Dienst wieder attraktiver werden.

In Bayern und Baden-Württemberg hat ver.di für den heutigen Mittwoch zu Warnstreiks aufgerufen. In Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Baden-Württemberg, Sachsen und Hessen wollen besonders die Fahrer im Nahverkehr auf ihre Situation aufmerksam machen. Für den Donnerstag ruft der dbb von 5 Uhr bis 14 Uhr zum Warnstreik am kommunalen Flughafen Stuttgart auf, ver.di will elf Stunden lang den Flughafen in Frankfurt am Main bestreiken. Die Lufthansa hatte am Dienstag bereits angekündigt, ein Großteil der Flüge von ihrem Heimatflughafen werde ausfallen, sollte tatsächlich ein Großteil der rund 6000 Beschäftigten die Arbeit niederlegen.

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