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Ein Schatten von Gegenreform

Mexiko will den TV- und Telefonmarkt entmonopolisieren / Zwei Konzerne bekommen Auflagen verordnet - allerdings nicht gleichermaßen harte

  • Andreas Knobloch
  • Lesedauer: 4 Min.
Mexikos Präsident ist angetreten, den Telekommunikationsmarkt zu öffnen. Seine Reform trifft besonders die großen Monopolisten.

Es war kein guter Monat für Carlos Slim, den reichsten Mexikaner und viertreichsten Mann der Welt. Sah es kürzlich noch so aus, als sollte er bald ins mexikanische TV-Geschäft einsteigen können, erhielten diese Pläne nun einen vorläufigen Dämpfer. Zudem sieht sich sein Konzern América Móvil harten Auflagen gegenüber.

Schuld ist ein Gesetzentwurf von Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto. Anfang der Woche reichte er mit viermonatiger Verspätung die sogenannten nachgeordneten Gesetze zur Reform der Telekommunikationsbranche zur Abstimmung ins Parlament ein. Die im Juli 2013 verabschiedete Reform ist eines der ambitioniertesten Projekte Peña Nietos. Sie soll bestehende Monopole bei Fernsehen und Mobiltelefonie brechen und mehr Wettbewerb ermöglichen. Denn Mexiko hat mit Slims América Móvil nicht nur den größten Mobilfunkanbieter Lateinamerikas, sondern auch die höchsten Tarife des Kontinents; der TV-Markt wiederum wird vom größten spanischsprachigen Medienunternehmen Televisa dominiert. Die nun präsentierten Gesetze regeln die Einzelheiten der Reform.

Von den Vorhaben scheint nicht mehr viel übrig. Die Reform droht zu verwässern, es hagelt Kritik. Sogar das Wort Gegenreform macht die Runde. Dabei hatte es Anfang März noch Applaus gegeben, als die neu geschaffene Wettbewerbsbehörde Ifetel sowohl Televisa als auch América Móvil marktbeherrschende Positionen bescheinigte und zu teils drastischen Maßnahmen verdonnerte. Televisa darf künftig bestimmte Inhalte (die Fußballliga, WM oder Olympia) nicht mehr exklusiv anbieten und muss seine Infrastruktur zu »fairen« Preisen mit den Wettbewerbern teilen. América Móvil wurde mit ähnlichen Auflagen bedacht. Zudem wurden zwei neue TV-Kanäle ausgeschrieben.

Bereits der Ifetel-Vorstoß dürfte Slim nicht gefallen haben - aber es sollte noch schlimmer kommen: Waren davon beide Konzerne ähnlich betroffen, nützt der nun vorgelegte Gesetzentwurf vor allem Televisa und dessen Eigentümer Emilio Azcárraga. Denn für mögliche neue Wettbewerber auf dem TV-Markt, wie die zu América Movil gehörende Telmex, werden hohe Zugangsbarrieren errichtet. Die Unausgewogenheit der Regulierung ist so offensichtlich, dass Slims Konsortium nach Bekanntwerden des Entwurfes an der Börse vier Prozentpunkte verlor, während Televisa leicht zulegte. »Die Investoren lassen sich nicht täuschen, sie wissen, dass sich die nachgeordneten Gesetze komplett gegen Slim richten, gleichzeitig aber ganz klar Televisa zupass kommen«, so der Senator Javier Corral von der rechtskonservativen PAN.

Die Maßnahmen gegenüber dem Telefonmonopolisten sind klar formuliert: Telmex müsste sich jährlich von Ifetel seine Tarife genehmigen lassen, versteckte Subventionen und Rabatte offenlegen und seine Netzinfrastruktur Wettbewerbern zur Verfügung stellen. Auch könnte das Unternehmen erst eine Konzession für einen TV-Kanal beantragen, wenn es zwei Jahre lang alle Auflagen als marktbeherrschender Akteur erfüllt hat - demnach frühestens 2017.

Slim versucht seit mindestens acht Jahren, eine solche Genehmigung zu bekommen. Unter der Vorgängerregierung Felipe Calderóns war sie abgelehnt worden; auch Peña Nieto wirft ihm Knüppel zwischen die Beine.

Das weitere Vorgehen würde geprüft, hieß es bei América Móvil. Slim sagte, man analysiere derzeit zwei Punkte: »Wir verstehen nicht, dass ein Unternehmen per Gesetz verpflichtet wird, seinen Wettbewerbern Dienstleistungen gratis und ohne jegliche Einnahmen zur Verfügung zu stellen. Und die andere Sache ist die Beschränkung von zwei Jahren, um in allen Bereichen zu konkurrieren.«

Abgeordnete der sozialdemokratischen PRD drohen gar mit Verfassungsklage. Nicht aus Mitleid mit Slim; sie stört vor allem die geplante Schwächung der Ifetel. Die war erst im Rahmen der Reform als unabhängige Behörde geschaffen worden. Nun soll sie doch an die Kandare genommen werden. Da habe die Regierung wohl Angst bekommen, die Kontrolle zu verlieren, so der Telekom-Experte Gabriel Sosa Platas. Die Regierungspartei PRI erklärte derweil, bei »soliden Argumenten« für Gespräche offen zu sein. Allerdings fehlen ihr nur fünf Stimmen, um das Gesetz durchzubringen. Nicht auszuschließen, dass sie die angesichts der uneinigen Opposition auch ohne Zugeständnisse zusammenbekommt.

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