Bundestag erinnert an Genozid in Ruanda

Steinmeier: »Dämonen des Völkermords« bis heute nicht gebannt

  • Lesedauer: 3 Min.
Der Bundestag hat am Freitag der Opfer des Völkermords in Ruanda gedacht. Dabei lenkten die Abgeordneten den Blick auf aktuelles Blutvergießen und stellten die Frage, ob die Völkergemeinschaft ihr Möglichstes tut, um grausames Morden zu verhindern.

Berlin. Der Bundestag hat am Freitag an den Völkermord in Ruanda vor 20 Jahren erinnert. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) rief dazu auf, auch heute »alles Mögliche« zu tun, um brutales Töten zu verhindern. Die »Dämonen des Völkermords« seien keineswegs gebannt. »Wir sprechen nicht überall von Völkermord, aber wir stehen im Kongo, in Zentralafrika und Syrien vor endlosem Blutvergießen«, sagte der Außenminister.

Mehrere Abgeordnete stellten während der Debatte die Frage, ob die internationale Gemeinschaft heute ihrer Verantwortung zum Schutz vor Völkermord gerecht wird. Wie ein stärkeres Engagement aussehen könnte, präzisierten die Parlamentarier nicht.

Nach dem Holocaust hätten die Deutschen »Niemals wieder« gerufen, sagte Steinmeier. »Doch wir haben das Versprechen nicht halten können«, ergänzte er. Die internationale Gemeinschaft habe in Ruanda versagt, als sie die Blauhelme inmitten der Gewalt abgezogen habe.

Die CSU-Abgeordnete Dagmar Wöhrl sagte, 1994 habe der Mut gefehlt, die Situation ehrlich zu analysieren, zu verstehen und einzugreifen. Heute stelle sich mit Blick auf die Konflikte in Syrien, dem Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik die Frage, ob daraus ausreichend Lehren gezogen worden seien. Wöhrl sagte, man müsse sich nach Kräften engagieren, um Blutvergießen zu verhindern. Das bedeute aber nicht zwangsläufig mehr militärisches Engagement.

Steinmeier betonte, es sei wichtig, die Eigenverantwortung Afrikas deutlich zu stärken. Bei seiner Reise nach Afrika in der vergangenen Woche sei ihm klar vermittelt worden, dass die Staaten Afrikas nicht als Bettler um Hilfe wahrgenommen werden wollten. »Wir wollen auch als Europäer, dass Afrika sein Schicksal selbst in die Hand nimmt«, sagte Steinmeier. Viele afrikanische Staaten würden mehr und mehr als Partner wahrgenommen. Das Wirken von Organisationen wie der Afrikanische Union, die in innerafrikanischen Konflikten 70.000 Soldaten im Einsatz habe, werde noch immer unterschätzt, sagte Steinmeier.

Die Grünen-Abgeordnete Kordula Schulz-Asche forderte eine systematische und unabhängige Aufarbeitung der deutschen Rolle im Ruanda-Konflikt. Es gebe noch offene Fragen, beispielweise ob es tatsächlich den Wunsch gab, die Bundesrepublik solle als neutraler Vermittler eingreifen, sagte Schulz-Asche.

Der Bundestag beschloss mit großer Mehrheit einen von Union, SPD und Grünen eingebrachten Antrag, in dem der Völkermord beklagt und das Versagen der internationalen Gemeinschaft bedauert wird. Gleichzeitig wird Ruanda darin zu weiteren Schritten zur Aufarbeitung und Versöhnung ermutigt. In der ruandischen Hauptstadt Kigali soll am Montag mit einer zentralen Veranstaltung der Opfer des Völkermords gedacht werden. Als Vertreter der Bundesregierung soll der Menschenrechtsbeauftragte Christoph Strässer (SPD) dorthin reisen.

Der Völkermord in Ruanda 1994 steht für das Versagen der Staatengemeinschaft. Innerhalb von rund 100 Tagen töteten Extremisten der Hutu-Mehrheit bis zu einer Million Tutsi und gemäßigte Hutu. Die damals 2.700 Mann starke UN-Truppe im Land durfte bei dem Töten nicht eingreifen. Sie wurde nicht einmal verstärkt, sondern zunächst auf 270 Soldaten verringert. epd/nd

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