Die Union hat es eilig, die SPD bremst

Koalitionspartner ziehen verschiedene Schlüsse aus dem Urteil

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 2 Min.

Bei Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat das schon Routine: Stets aufs Neue wies er Forderungen aus der Union zurück, er solle doch - wie im Koalitionsvertrag vereinbart - die Vorratsdatenspeicherung einführen. Noch im Januar sagte Maas dem »Spiegel«: »Ich lege keinen Gesetzesentwurf vor, bevor der Europäische Gerichtshof endgültig geurteilt hat.« Nun ist das Urteil gefallen und Maas will es auch weiterhin gemächlich angehen lassen. »Es besteht jetzt kein Grund mehr, schnell einen Gesetzentwurf vorzulegen«, sagte Maas am Dienstag. Man werde mit der Union »das weitere Verfahren und die Konsequenzen ergebnisoffen besprechen«.

Vertreter von CDU und CSU zeigten sich gestern weniger geduldig. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) betonte, dass er durchaus Handlungsbedarf sehe. »Ich dränge auf eine rasche, kluge, verfassungsmäßige und mehrheitsfähige Neuregelung«, so der Minister in Berlin. Zudem verwies de Maizière auf nicht näher benannte »Fachleute«, die sich einig seien, dass eine Vorratsdatenspeicherung »zum Zwecke der Aufklärung schwerer Straftaten« geboten sei. Offenbar zählen die Mitarbeiter des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages nicht zu diesen Fachleuten. Im Februar 2011 war der Dienst zu dem Schluss gekommen, dass sich »die Erfolge der Vorratsdatenspeicherung in einem sehr kleinen Rahmen halten«. In dem Gutachten ist von einer um nur 0,006 Prozent verbesserten Aufklärungsquote die Rede.

Vorratsdatenspeicherung in den Ländern der EU

Polen nimmt laut Brüsseler Statistiken einen Spitzenplatz beim Zugriff auf Vorratsdaten ein. Im Jahr 2012 fragten polnische Ermittler rund 1,7 Millionen Mal Kommunikationsdaten ab. Allerdings haben nur elf Länder in Brüssel Informationen zu 2012 eingereicht.

Deutschland ist der einzige EU-Mitgliedstaat, der die Richtlinie nicht in nationales Recht umgesetzt hat. Das Bundesverfassungsgericht hatte die deutschen Umsetzungsregelungen 2010 gekippt, dabei jedoch nicht die Brüsseler Vorlage gerügt. In Tschechien und Rumänien hatten die Verfassungsgerichte die Gesetze ebenfalls gekippt – die beiden Länder haben inzwischen aber neue Regelungen. Belgien hat sein lückenhaftes Gesetz kürzlich vervollständigt.

Verfassungsbeschwerden laufen in Irland, Österreich, Polen, der Slowakei, Ungarn und Slowenien.

Irland und Italien speichern Daten zwei Jahre lag, Telefondaten dabei länger als internetbezogene.

Österreich, Litauen, Luxemburg und einige weitere Länder speichern Daten nur für sechs Monate. Die meisten EU-Staaten haben sich hingegen für eine Speicherdauer von einem Jahr für alle oder Teile der Daten entschieden. epd/nd

Trotzdem drängen Konservative wie CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach auf die Einführung eines neuen Gesetzes. Gegenüber der »Welt« plädierte er am Montag für eine Speicherdauer von drei Monaten, wie sie im Koalitionsvertrag festgehalten sei. »Im Kern geht es jetzt noch um die Klärung der Frage, für die Abwehr und Aufklärung welcher Straftaten die Daten genutzt werden dürfen«, sagte er. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) will eine schnelle Lösung des jahrelangen Streits um die Vorratsdatenspeicherung. »Das brauchen wir, um schweren Straftätern auf die Spur zu kommen.« Auch Herrmann scheint das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes nicht zu kennen.

Tatsächlich ist die Bundesrepublik in den letzten vier Jahren ganz gut ohne ein entsprechendes Gesetz ausgekommen. Bereits im März 2010 hatte das Bundesverfassungsgericht die deutsche Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung kassiert. Union und FDP hatten sich danach auf keinen neuen Gesetzentwurf einigen können.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal