- Kultur
- Person
Mr. Gegenkultur
Stephen Colbert schafft Stephen Colbert ab
Es ist die Chronik eines vom US-Sender CBS angekündigten Todes. Der Satiriker Stephen Colbert ist im Begriff, einen Mord zu begehen: an Stephen Colbert. Denn wenn Colbert im nächsten Jahr die Nachfolge des Urgesteins des Late-Night-Talks, David Letterman, antreten wird - es wird das Ende einer der einflussreichsten, weil zeitgemäßesten, Figuren der internationalen Medienwelt sein.
In seiner satirischen Nachrichtensendung »The Colbert Report« verschanzt sich Colbert hinter einem Kunstcharakter: dem des eitlen und rechtslastigen Kommentators, des auftrumpfend ungebildeten (»anti-elitären«) Ignoranten, des reaktionären Vollidioten aus Überzeugung. Colbert schuf so eine scharfe und entlarvende Waffe gegen eine schlimme Medientendenz: Unter dem Druck des Erfolgs des Murdoch-Senders »Fox News« pflegen große Teile der privaten US-Medien einen zunehmend emotionalen, antiwissenschaftlichen, faktenfernen Stil. Colbert bezeichnet seine Sendung folgerichtig als »No-Fact-Zone« und bürstet nicht ins Weltbild passende Realitäten ab: »Es ist ja wohlbekannt, dass die Realität eine linke Ausrichtung hat.«
Dass der schlagfertige und scharfsinnige »Emmy«-Gewinner Colbert seine bornierte Figur auch während direkter Gespräche nicht verlässt, macht den »Colbert Report« zum einzigen Comedy-Format, in dem auch die Interviews lustig sind. Als Letterman jedoch gäbe es nur den »echten« Colbert.
Darum grenzen Colberts Zukunftspläne für seine Fangemeinde an Hochverrat: »Ihr« Colbert - Superstar der Gegenkultur, Symbol eines intelligenten und toleranten US-Amerika - als zukünftiges Feigenblatt des Mainstream?
Dass die schärfsten US-Kritiker aus den USA stammen, beweist der 1964 in Washington DC Geborene nicht nur in seiner Sendung: Es gibt keine respektlosere Rede, die je in Anwesenheit G.W. Bushs gehalten wurde als die von Colbert beim Correspondents Dinner 2006. Er organisierte 2010 die »Restore Sanity«-Demo gegen den Tea-Party-Terror und lenkte mit seinem 2012 geründeten Super-PAC die Aufmerksamkeit auf diese infame Art der Polit-Korruption.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.