- Kommentare
- Flattersatz
Mehr Wirtschaft an Schulen
Bernd Zeller erklärt, warum sich die Gesellschaft eine sachliche Würdigung der Äußerungen Gaucks nicht leisten kann
Unser heutiger Bericht widmet sich der Frage nach der Notwendigkeit von mehr Wirtschaft im Unterricht. In wenigen Wochen endet die reguläre Amtszeit des Bundespräsidenten. Es gibt aber keine Bundesversammlung, weil er schon früher aufgehört hat; vor vier Jahren trat Horst Köhler zurück, nachdem er in Snowden-Manier das Geheimnis preisgegeben hatte, dass sich der militärisch-industrielle Komplex auch auf Seewege erstreckt. Anschließend hatte sich Christian Wulff in diesem Amt versucht und sich vor allem deshalb dazu verlocken lassen, weil er darin die billigste Methode sah, seiner Frau den Aufenthalt in einem Schloss zu bieten. Inzwischen ist er von Frau und sonstigen Beschwernissen rehabilitiert, aber noch zu jung für die Rolle eines Alt-Bundespräsidenten, weshalb er keine Reden mehr hält, in denen er fordert, konstatiert oder anmahnt, sondern sich mit dem finanziellen Schadenersatz begnügt, der ihm durch die mediale Amtsenthebung entstanden ist. Schäuble, der Finanzfuchs, könnte eigentlich die Medien auf Übernahme des Ehrensoldes verklagen. Macht er aber nicht, er braucht sie vielleicht noch selbst.
Und damit wäre wir beim Thema Ökonomie. Der nächste Alt-Bundespräsident, Bundespräsident Gauck, hat im Rahmen seiner Forderungs-, Mahnungs- und Konstatierungskompetenz mehr Wirtschaft an Schulen gefordert. Das Entsetzen war geradezu so, als hätte er gesagt, die Wirtschaft gehört zu Deutschland. Da er darüber hinaus keinen Verstoß gegen die Etikette begangen hat, kann er beanspruchen, dass seine Ansicht auf der sachlichen Ebene heruntergemacht wird, ohne ihn persönlich zum Abschuss freizugeben; etwas Anderes wäre es zum Beispiel, wenn er, wie es derzeit mehrfach zu beobachten ist, aus wirtschaftlichem Interesse ein Buch geschrieben hätte, das sich bestsellermäßig verkauft, weil es die Masche »Das wird man ja wohl noch sagen dürfen« reitet und Menschen anspricht, die sich als Meinungskonsumenten von den Meinungsproduzenten nicht ausreichend beachtet fühlen. Ein solches Buch wäre, wie der aktuelle »Stern« recherchiert hat, nicht nur populistisch, sondern auch eine Bewirtschaftung des Hasses. Anwesende Psychologen werden gebeten, jetzt mal außer Acht zu lassen, dass es sich bei dem festgestellten Hass um den eigenen, vom Journalisten projizierten, handelt, denn dazu ist das Thema zu ernst. Die Gesellschaft kann es sich nicht leisten, dass ihre Herrscher, die im Namen des Guten handeln und sich auf das Beste berufen, durch Unterstellungen bloßgestellt werden. Es mag schmerzlich sein, ist aber unumgänglich, dass solche Autoren mit Ausgrenzung, persönlicher Herabwürdigung und Intoleranz bekämpft werden, um den Frieden im Lande zu wahren. Eine sachliche Würdigung ihrer kruden Thesen würde nur Nachahmer ermutigen. Schon hat eine Polizistin versucht, mit einem Brandbrief ähnliche Thesen über ihre individuelle Sicht auf angeblich mangelnden Respekt befreundeter Schichten gegenüber der Polizei zu verbreiten, um die Auflage des Briefes zu steigern. Das kann nicht sein. Die Regeln müssen klar bleiben.
Mehr Wirtschaft im Unterricht, das ist diskutabel, soll heißen, durch Diskussion zu unterbinden. Zunächst müsste die Wirtschaft so weit vereinfacht werden, dass Schüler nicht frustriert sind. An Schulen, die noch traditionsbedingt Hausaufgaben und Schreibschrift haben, würden Schüler zum Überdenken der Wirtschaftlichkeit gebracht und darauf kommen, dass man ökonomisch handelt, wenn man die Hausaufgaben abschreibt, und rationell, wenn man das Abschreiben von einem anderen erledigen lässt.
Als schlagendes Argument für die Überflüssigkeit ist vorzubringen, das dank der größten Koalition aller Zeiten der Vizekanzler und Wirtschaftsminister seit seiner Schulzeit auch keine nennenswerten Fortschritte auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften vorzuweisen hat.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.