Lobbycontrol kritisiert Bundestag-Nebenjobber

Zuverdienste nähren Zweifel an der politischen Unabhängigkeit der Parlamentarier

  • Miriam Bunjes
  • Lesedauer: 3 Min.
Jeder fünfte Bundestagsabgeordnete hat neben der politischen Arbeit einen Nebenjob. Manch Abgeordneter verdient mit ihm mehr als seine Diät. Demokratiewächter kritisieren diese Unwucht als Einfallstor für Lobby-Interessen.

Berlin. Die Diäten der Bundestagsabgeordneten wurden jüngst auf 9.082 Euro im Monat erhöht. 123 der derzeit 631 Abgeordneten verdienen aber zusätzlich woanders Geld, zeigen die gerade vom Bundestag veröffentlichten Nebeneinkünfte. Genaue Summen sind dort nicht zu lesen: Die Volksvertreter geben ihre Einkünfte in zehn Stufen an, die letzte umfasst Einkünfte über 250.000 Euro.

So viel Transparenz gab es noch nie im Bundestag. Transparenz, die Sprengstoff birgt. Denn einzelne Parlamentarier verdienen zusätzlich zu ihrer Abgeordnetendiät bis zu 500.000 Euro im Jahr, hat die Organisation Lobbycontrol errechnet. »Ob jemand in Stufe zehn 250.001 Euro verdient oder mehrere Millionen, das sieht man nicht«, sagt Christina Deckwirth von Lobbycontrol, die das Zehn-Stufen-System unterm Strich für eine Verbesserung hält. Aber: »Es ist weiterhin möglich, als Lobbyist im Bundestag zu sitzen.« Und dann eben auch die Interessen der zahlenden Auftraggeber in die Politik einfließen zu lassen. Gehälter von Lobbyverbänden oder PR-Jobs hält Lobbycontrol für »mit dem Mandat unvereinbare Interessenskonflikte«. Ebenso hoch dotierte Vorstandsposten. »Politiker werden für ihre Kontakte und ihren Einfluss auf diese Posten gesetzt - und nicht weil sie besonders viel Arbeitszeit ins operative Geschäft stecken können.«

Einer der so kritisierten Gutverdiener mit Nebeneinkünften von mindestens 147.000 Euro ist Rudolf Henke (CDU). Der Arzt aus Aachen ist stellvertretender Vorsitzender im Gesundheitsausschuss - und gleichzeitig Bundesvorsitzender des Ärzteverbandes Marburger Bund und Präsident der Ärztekammer Nordrhein. Auch für seine Arbeit im Beirat der Allianz-Versicherung und der Deutschen Ärzteversicherung wird er bezahlt. Für Lobbycontrol ist das ein klarer Interessenskonflikt: »Ärzteinteressen sind nicht immer deckungsgleich mit Patienteninteressen«, sagt Deckwirth. »Es ist daher sehr problematisch, wenn ein Politiker von Ärzte-Interessensvertretungen bezahlt wird und dann für die ganze Bevölkerung über Gesundheitsthemen entscheidet.«

Rudolf Henke sieht das anders: »Ich habe aus meinen Aufgaben in ärztlichen Organisationen nie einen Hehl gemacht und sehe darin keinen ethischen Konflikt«, sagt der CDU-Politiker. Als politisch interessierter Arzt habe er von Berufsbeginn an in Mitarbeitervertretungen im Krankenhaus, im Marburger Bund und im Caritas-Verband gearbeitet. »Dadurch habe ich mir eine Fachkompetenz im Gesundheitsbereich erarbeitet, die für die Abgeordnetenarbeit sehr wichtig ist - und ihr vor allem nicht widerspricht«, findet Henke. Sein gesundheitspolitisches Ziel sei eine gute Patientenversorgung.

Seine parlamentarische Unabhängigkeit gefährdeten die »finanziellen Aufwandsentschädigungen« der Verbände nicht. Als Landtagsabgeordneter in Nordrhein-Westfalen habe er beispielsweise für Studiengebühren gestimmt, obwohl der Marburger Bund vehement dagegen war. Er stimme im Parlament nicht als Vertreter des Marburger Bundes ab, sondern als freier Abgeordneter.

Henkes Geldgeber kann jeder Bürger auf dessen Bundestagsseite nachlesen. Bei Abgeordneten, die als Anwälte arbeiten, ist das anders: Die Mandanten werden anonym aufgelistet: »Mandat 02, 2013, Stufe 10« (mehr als 250.000 Euro) steht zum Beispiel bei Bundestags-Spitzenverdiener Peter Gauweiler (CSU). »Es sollte wenigstens die Branche der Geldgeber veröffentlicht werden, damit Interessen erkennbar werden«, sagt Martin Ryter von der Organisation Abgeordnetenwatch. Auch ihm geht die Transparenz der Nebenjobs nicht weit genug. »In Großbritannien veröffentlichen Parlamentarier exakte Verdienstsummen und auch die verwendete Arbeitszeit«, sagt Ryter:»Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum unsere das nicht tun.« Immerhin würden sie für einen Vollzeitjob bezahlt. »Wer nebenbei Spitzengehälter verdient, muss sich auch die Frage gefallen lassen, wie viel Zeit er noch für sein Mandat hat.« epd/nd

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