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Warten auf die Monster-Lawine

Dem Dorf Courmayeur am Fuß des Mont Blanc droht ein Jahrhundert-Erdrutsch

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein 750 Meter langer Wall wird gebaut, Einwohner werden evakuiert: Courmayeur im Aostatal bereitet sich auf einen Erdrutsch vor.

Im italienischen Courmayeur hält man den Atem an. Das Dorf im Aostatal am Fuß des Mont Blanc wird von einer riesigen Gerölllawine bedroht, die langsam aber sicher nach unten rutscht. Bisher wurden 90 Personen aus dem nördlichen Ortsteil La Palud evakuiert und jetzt soll mit dem Bau eines Walls begonnen werden, der die Stein- und Erdmassen aufhalten soll.

Dass der nahe Mont de la Saxe langsam nach unten rutscht, weiß man schon seit vielen Jahren. Offiziell wird der Erdrutsch seit 2009 mit vielen technischen Geräten überwacht. Mal bewegen sich die Erdmassen sechs Meter pro Tag, dann werden sie langsamer oder auch sehr viel schneller: Viel hängt von den Wetterbedingungen ab.

Seit einigen Wochen haben höhere Temperaturen und vor allem die Regenfälle dazu geführt, dass die Lage bedrohlicher geworden ist. Die Bürgermeisterin von Courmayeur, Fabrizia Derriard, hat deshalb Anfang April die Evakuierung von 90 Einwohnern aus dem Ortsteil La Palud angeordnet, die schon vor einigen Jahren sechs Wochen lang ihre Häuser verlassen mussten. Auch drei Hotels wurden vorübergehend geschlossen. Ausgerechnet am Osterwochenende wurden dann mehrmals die Zufahrtsstraßen zum Tunnel unter dem Mont Blanc gesperrt, der das italienische Courmayeur mit dem französischen Chamonix verbindet.

Die Einwohner der Gegend sind an das dumpfe Geräusch und das laute Krachen gewohnt, das Tag und Nacht von dem Berg kommt. Allein in den letzten drei Wochen sind etwa 20 000 Kubikmeter Geröll in das Tal gerutscht - aber das ist nur der Anfang. Der Erdrutsch, der sich jetzt in Bewegung gesetzt hat, soll insgesamt 400 000 Kubikmeter umfassen. Dazu kommen etwa acht Millionen Kubikmeter, die ebenfalls mitgerissen werden könnten.

»Machen kann man eigentlich gar nichts«, erklärt der Chef des italienischen Katastrophenschutzes Franco Gabrielli, der immer wieder ins Aostatal fährt und mit den etwa 300 Technikern und Geologen vor Ort spricht. »Man kann die Auswirkungen eines so großen Erdrutsches so gering wie möglich halten, aber blockieren kann man ihn nicht.«

Am Fuß des Berges soll jetzt ein Wall errichtet werden, um zu verhindern, dass die Geröllmassen unkontrolliert und ungebremst ins Tal donnern. Er wird 750 Meter lang, 20 Meter breit und bis zu 9 Metern hoch sein. Außerdem wird man einen Abflusskanal für das Flüsschen Dora schaffen, das durch die Steine gestaut werden könnte - denn das würde natürlich zu Überschwemmungen führen. All diese Arbeiten hätten schon vor einem Jahr beginnen sollen, aber erst mal fehlte es an Geld (insgesamt sind etwa elf Millionen Euro vorgesehen). Und dann mussten - wie immer in Italien - viele bürokratische Hindernisse überwunden werden.

Die Einwohner des Tals wissen nicht so recht, was sie sich eigentlich wünschen sollen. Einerseits wäre es das beste, dass dieser ewig drohende Erdrutsch ein für alle Mal abgehen würde. Andererseits weiß man aber nicht genau, welche Auswirkungen das haben würde. Es wurde auch vorgeschlagen, den Berg kurzerhand zu sprengen. Die Geologen haben aber davon abgeraten. Man kann also nur abwarten - und das zerrt an den Nerven und kostet Geld. Cormayeur lebt vom Tourismus, und einige Stornierungen hat es schon gegeben. Obwohl - und das wiederholt die Bürgermeisterin fast gebetsmühlenartig - der Erdrutsch letztendlich nur einen kleinen Teil der Gegend betrifft.

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