Der Nachbar wird zum Busfahrer

Kein Geschäft im Ort und kein Auto - Bürgerbusse können Abhilfe schaffen

  • Sebastian Stoll
  • Lesedauer: 3 Min.
In rund 250 Kommunen fahren sogenannte Bürgerbusse. Statt gelernter Busfahrer bringen normale Bürger ihre Nachbarn durch den Ort - ehrenamtlich. Der Service sichert vor allem Senioren Mobilität.

Lauchringen/Kevelaer. Alma Bomsdorf merkt man ihre 86 Jahre nicht an. Die kleine Frau mit den schlohweißen Haaren ist noch gut zu Fuß und auch schnell im Kopf. Und dennoch: Lange Wege sind für sie sehr beschwerlich. »Seit es den Laden um die Ecke nicht mehr gibt, ist Einkaufen für mich ziemlich schwierig geworden«, sagt sie und steigt in einen weißen Kleinbus. »Zum Glück haben wir den jetzt. Sonst müsste ich das Taxi nehmen, anders ginge es nicht.«

Etwa 7000 Menschen leben im südbadischen Lauchringen - die meisten von ihnen aber im Ortsteil Unterlauchringen. Wer wie Alma Bomsdorf in Oberlauchringen wohnt und einkaufen will, muss das Auto nehmen. Wenn er eins hat - oder den Bürgerbus, den die Gemeinde seit dem Verlust des letzten Lebensmittelgeschäftes im kleinen Ortsteil eingerichtet hat. Er verkehrt seit Ende 2013 am Montag und am Donnerstag, dreimal in jede Richtung und kostet die Lauchringer keinen Cent. So etwas gibt nicht nur in Lauchringen, sondern in immer mehr Gemeinden: Wo keine Geschäfte mehr existieren und auch keine Buslinie, da schreiten Bürger zur Tat und fahren selbst. Unterstützt werden sie dabei von den Kommunen oder vom jeweiligen Bundesland, die einen Kleinbus zur Verfügung stellen und die Fixkosten übernehmen. Um sie zu senken, kostet die Fahrt auch ein paar Cent oder einen Euro, aber niemals viel. Bürgerbusse sind gelebtes bürgerschaftliches Engagement - doch viele Menschen wissen gar nicht, dass sie existieren.

Zur Wahrheit über den Bürgerbus gehört aber auch: Wer über ihn redet, muss auch immer von einem Mangel sprechen. So ist es auch im südbadischen Lauchringen, wo ein Teil der Bevölkerung plötzlich von Einkaufsmöglichkeiten abgeschnitten war. »Die Leute hätten am liebsten gehabt, dass wir als Gemeinde selbst einen Laden betreiben. Aber das verbietet uns die Gemeindeordnung«, sagt Bürgermeister Thomas Schäuble (CDU).

Statt dessen habe man eine Weile überlegt, einen genossenschaftlich organisiertes Geschäft anzustoßen, das dann andere Bürger betreiben. »Aber damit sich das rechnet, braucht man 350 000 Euro Umsatz im Jahr.« Was kaum möglich wäre, weil es im Ort sehr wohl Aldi und Lidl gebe - für jeden Menschen mit Auto leicht zu erreichen. Am Ende sei der Bürgerbus die beste Wahl gewesen: »Unsere Fahrgastzahlen steigen stetig.«

Und zwar auf niedrigem Niveau, aber genau dafür ist der Bus ja auch gedacht: 34 Fahrgäste hat Fahrer Franz Boll, 62 Jahre alt und in Altersteilzeit, heute durch Lauchringen gefahren. Das ist Rekord. »Der Bus wird sehr gut angenommen«, sagt er. Und das liege sicher nicht nur daran, dass er eine Lücke schließe - sondern auch, dass er zum Treffpunkt werde. »Sie glauben gar nicht, wie viel man auf zwei Kilometern erfahren kann.« Die 86-jährige Alma Bomsdorf sei nicht unbedingt auf seine Dienste angewiesen. »Wenn sie will, fährt sie noch Fahrrad«, sagt Franz Boll und grinst. epd/nd

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