350 Lastkraftwagen voller Wald

Wie die Nordseeinsel Amrum mit den Folgen der Orkane »Christian« und »Xaver« ringt

  • Olaf Harning
  • Lesedauer: 3 Min.
Amrum (Schleswig-Holstein) gilt als deutsche Nordseeinsel mit dem höchsten Waldanteil. Doch Ende 2013 wurden davon gleich 13 000 Hektar verwüstet. Wie nun weiter?

Es war ein milder Sonntagnachmittag, an dem das Unheil seinen Lauf nahm. Nach seinem Zug über den Nordatlantik formierte sich Orkan »Christian« am 27. Oktober vergangenen Jahres zu einem Herbststurm, wie ihn die nordfriesische Küste seit fast 15 Jahren nicht erlebt hatte. Und keine sechs Wochen später folgte »Xaver«: Als dieser Orkan am Nikolaustag endlich an Kraft verlor, war auf Amrum gut ein Sechstel des gesamten Waldbestandes vernichtet. Für eine Insel, die zu zwei Dritteln aus Strand und Dünen besteht, eine mittlere Katastrophe.

Erst ab 1948 war er auf Heideflächen angepflanzt worden, der Inselwald. »Als Schutz vor Wanderdünen«, wie Holger Peters erklärt. Der Vorsitzende des Amrumer Forstverbandes ist zusammen mit Förster Walter Rahtkens seit Monaten damit beschäftigt, die Beseitigung der Sturmschäden zu organisieren. »An vielen Stellen unter den Amrumer Dünen sind einmal Häuser gewesen«, hebt Peters die Schutzfunktion des Waldes hervor, »da werden immer mal wieder Fundamente und ehemalige Ackerfurchen frei geweht.«

Heute hat Amrum den größten Waldanteil aller Nordseeinseln - ein Pfund, mit dem man auch bei den jährlich 135 000 Übernachtungs- und 100 000 Tagesgästen wuchern kann. »Die Bedeutung des Waldes für den Tourismus ist enorm«, sagt auch Frank Timpe, besorgt über das Ausmaß der Verwüstung. Der Chef der »Amrum-Touristik« sieht den hohen Baumbestand als »angenehmes Pendant zu Strand, Heide und Wattenmeer«. Immerhin gut 76 Prozent aller Touristen würden die Insel Amrum nur oder vor allem wegen ihrer Natur- und Landschaftsressourcen besuchen. Da seien 30 Hektar vernichteter Wald schon schmerzlich.

Das gilt erst recht für die vielen Radfahrer unter den Gästen. »Mit Rückenwind durch die Marsch nach Wittdün«, sagt Peters lachend, »und dann auf dem windgeschützten Waldweg zurück« - so bewegen sich viele Besucher per Fahrrad zwischen den fünf Inseldörfern, die auf dem nur sechs Kilometer langen Geestkern Platz gefunden haben.

Doch nun, nach »Christian« und »Xaver«, ragen von den Waldflächen links und rechts dieses Weges oft nur noch Stümpfe in die Höhe. Hunderte Meter breite Schneisen schlugen die Stürme durch den Forst, auch Teile der Neuanpflanzungen nach Orkan »Anatol« von 1999 sind betroffen. So verwüstet waren Teile des Waldes, dass Peters und Rahtkens erst Monate nach »Xaver« einigermaßen zutreffende Aussagen über das Ausmaß der Schäden treffen konnten.

Am Ende musste der mitsamt Fuhrpark aus Süddeutschland angereiste Forstunternehmer Josef Pirchmoser 13 000 Raummeter Holz aus der Fläche ziehen und die fast 350 Lkw-Ladungen zum kleinen Hafen in Steenodde transportieren. Auf einer Insel im Wattenmeer ist das auch ein logistisches Problem: Mit den Kleinfrachtern »Catjan« und »Sandshörn« werden die Stämme bis heute zum Festlandhafen in Dagebüll gefahren. Oder sie werden auf hoher See auf größere Frachter umgeladen und nach Belgien und Portugal verschifft.

Zusätzliche Hilfen und Fördermittel des Landes Schleswig-Holstein wurden trotz dieser inseltypischen Probleme abgelehnt. Auch finanziell sind die Sturmschäden daher eine Herausforderung: Zwar decken die Einnahmen aus dem Holzverkauf Bergung, Abtransport und die Sanierung der ramponierten Waldwege. Für die Neuanpflanzungen allerdings müssen wohl die Inseldörfer selbst aufkommen: Auf gut 150 000 Euro werden die Kosten geschätzt, dazu kommen langfristig hohe Aufwendungen für die Pflege der Flächen.

Ein Trost bleibt Peters allerdings. Denn »langfristig«, so betont der Mann vom Forstverband, »ist das für den Wald auch von Vorteil«. Zu dicht hätten die Bäume an manchen Stellen gestanden, zudem sei der Forst allzu stark von Schwarzkiefern und Fichten dominiert gewesen. »Letztlich wird der Wald schöner«, meint Peters: »In zehn, zwanzig Jahren.«

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