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Und er bewegt sich doch

Jörg Meyer über den DGB-Kongress

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Das 20. Parlament der Arbeit des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ging am Donnerstag in Berlin zu Ende. Fünf Tage lang haben nominell 400 Delegierte, die zwischendurch auch vollzählig waren, Reden von Politikprominenz gelauscht, mehr als 200 Anträge beraten und abgestimmt und vor allem: Einen neuen Vorstand gewählt. Reiner Hoffmann, der neue an der DGB-Spitze, vertritt nun in Politik und Wirtschaft die Interessen der rund 6,2 Millionen Mitglieder. Damit verficht er immer einen Kompromiss der Meinungen aus den acht Mitgliedsgewerkschaften, und das ist nicht immer einfach.

Anfangs verlief der Kongress eher mau, hinter den Kulissen hörte man auch Kritik an Hoffmanns Grundsatzreferat: Zu wenig zugespitzt, er habe sich zu sehr auf bekanntem Terrain, in den bekannten Themen bewegt. Aber das liege in der Natur der Sache, sagten andere: Die brennenden Themen sind eben lange bekannt. Und grundlegende Fragen sind bei DGB-Kongressen meist bereits im Vorfeld diskutiert, die Delegierten legen ihr Abstimmungsverhalten fest. Das dürfte auch der Zeitplanung geschuldet sein.

Bei über 200 Anträgen, die in knapp vier Tagen durchgebracht werden müssen, ist kaum Raum für lange Debatten. Doch es gab auch Themen, über die lebhaft debattiert wurde: Steuergerechtigkeit, Tarifeinheit oder der Antrag zum Zivilen Ungehorsam, den die DGB-Jugend als offiziell im Kanon der gewerkschaftlichen Aktionsformen wissen wollte - und das auch durchsetzen konnte.

Mit dem Abtritt von von Michael Sommer geht nach zwölf Jahren eine Ära zu Ende. Eine Ära, in die der Beschluss zum flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn fällt, in den die Bekämpfung eines immer weiter wachsenden Niedriglohnsektors fällt. Besonders der Mindestlohn stellt eine historische Entwicklung dar - wenngleich 8,50 Euro zu wenig sind.

In Sommers Zeit als DGB-Chef fällt aber auch der historische Bruch der Gewerkschaften mit der Sozialdemokratie, die Agenda 2010 mit den Hartz-Gesetzen. Dem hatten die Gewerkschaften ab dem Jahr 2004 nach anfangs großen Demonstrationen wenig entgegenzusetzen. Viele von den in den letzten Jahren erkämpften politischen Erfolgen der Gewerkschaftsbewegung sind das Ergebnis einer harten Auseinandersetzung um das, was mit der Agenda 2010 zerstört wurde, wieder zu reparieren.

Der politische Fahrplan für die nächsten Jahre steht. Der Antrag, dass der DGB in den nächsten zwei Jahren ein »umfassendes Streikrecht unter Einschluss des politischen Streiks« diskutiert, wie ihn in ähnlicher Fassung auch viele Einzelgewerkschaften bereits beschlossen hatten, wurde ohne Diskussion mit einer Gegenstimme angenommen. Also bitte: Auf die Tube gedrückt, politischen Streik etabliert und die Mitglieder mobilisiert. Dann klappt’s mit dem anderen Europa endlich auch in Deutschland auf der Straße, oder?

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