Zaid A.: Hoffen auf Paris

Antifaschist Zaid A. stellt sich der französischen Justiz

  • Luc Śkaille
  • Lesedauer: 3 Min.
Viele Antifaschist*innen zeigen sich solidarisch mit den Angeklagten im »Budapest-Komplex«.
Viele Antifaschist*innen zeigen sich solidarisch mit den Angeklagten im »Budapest-Komplex«.

Der wegen Angriffen auf Neonazis am »Tag der Ehre« 2023 in Budapest verfolgte Antifaschist Zaid A. hat sich am 1. Oktober überraschend den französischen Behörden gestellt. Bereits im Januar hatte er sich – gemeinsam mit weiteren Beschuldigten – freiwillig in Deutschland gemeldet, mit dem Ziel, dort ein Verfahren zu ermöglichen. Zuvor war er knapp zwei Jahre auf der Flucht gewesen.

Mit europäischen Haftbefehlen lässt Ungarn seit dem Vorfall im Februar 2023 international nach annähernd 20 Antifaschist*innen fahnden. Am Rande des jährlichen Aufmarschs europäischer NS-Nostalgiker in Gedenken an den Ausbruchsversuch von Wehrmacht und Waffen-SS aus Budapest am Ende des Zweiten Weltkriegs hatte es mehrere Angriffe auf Neonazis gegeben. Dabei wurden einige erheblich verletzt.

Den beschuldigten Antifaschist*innen aus Deutschland, Italien, Albanien und Syrien drohen wegen der Auseinandersetzungen und des Vorwurfs der »Bildung einer kriminellen Vereinigung« teils drakonische Strafen. In einzelnen Fällen lautet die Anklage sogar auf versuchten Mord. Beobachter*innen sprechen angesichts des Verfahrens gegen Maja T. von einem politischen Schauprozess. Erst vergangene Woche bezeichnete Ungarns Premier Viktor Orbán »die Antifa« in Anlehnung an Donald Trump als terroristische Vereinigung. Damit schuf er die Grundlage für eine weitere Verfolgung.

Der sogenannte Budapest-Komplex sorgte bereits früh für Aufsehen, insbesondere durch Berichte über unwürdige Haftbedingungen der in Ungarn inhaftierten Antifaschist*innen »Tobi« aus Berlin und der späteren Europaabgeordneten Ilaria Salis. Angesichts der umstrittenen Auslieferung von Maja T. aus Deutschland sowie der jüngsten Verurteilung der Münchner Kunststudentin Hanna S. zu fünf Jahren Haft wird der politische Verfolgungswille deutlich.

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Drei Monate Auslieferungshaft

Zaid A. saß nach seiner Selbststellung im Januar drei Monate in Auslieferungshaft in Köln-Ossendorf. Am 2. Mai kam er unter Auflagen frei. Das Berliner Kammergericht entschied auf Haftverschonung. Dennoch blieb eine Auslieferung nach Ungarn – und womöglich eine Abschiebung nach Syrien – realistisch. Anders als bei anderen Beschuldigten eröffnete die Generalbundesanwaltschaft in seinem Fall kein Verfahren in Deutschland, was die Auslieferungsgefahr weiter erhöhte.

Zaid A. lebt seit über zehn Jahren mit seiner Familie in Nürnberg. Er besuchte dort die Schule, begann ein Studium. Sein gesamtes soziales Umfeld ist in Deutschland. Menschenrechtsorganisationen wie das Grundrechtekomitee und die Internationale Liga für Menschenrechte kritisierten seine Lage scharf. Für seine Anwält*innen Rasmus Kahlen und Anna Magdalena Busl steht fest: Der Umgang mit Maja T. beweise, dass Ungarn und auch Deutschland »die europäische Menschenrechtskonvention verhöhnen«.

Während die deutschen Behörden eng mit der ungarischen Justiz kooperieren, lehnten Gerichte in Mailand und Paris entsprechende Ersuchen ab. Im Fall der Antifaschist*innen »Gabriele« und »Gino« verweigerten sie die Übergabe – mit Verweis auf fehlenden Schutz für politische Gefangene und ernsthafte Zweifel an rechtsstaatlichen Verfahren.

Zaid A. entschied sich daher, sich den Auflagen in Deutschland zu entziehen und in Frankreich eine rechtliche Klärung zu erzwingen. Vertreten wird er nun von den Pariser Anwälten Laurent Pasquet-Marinacce und Youri Krassoulia. Frankreich hatte erst kürzlich die Auslieferung des albanischen Antifaschisten Gino A. verweigert. Die französische Staatsanwaltschaft empfahl dem Haftrichter, auch Zaid A. unter Auflagen freizulassen – dem kam das zuständige Gericht nun nach.

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