Der Einzelkämpfer hat ausgedient

Kassenärzte mit Nachwuchssorgen vor allem in der Allgemeinmedizin

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
In vielen Gegenden fehlen niedergelassene Ärzte. Eine Nachwuchskampagne der Kassenärztlichen Vereinigung soll das ändern.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) stellte am Dienstag in Berlin ihre Nachwuchskampagne unter dem Motto »Lass dich nieder!« vor und erklärte gleichzeitig ihre Position zur medizinischen Aus- und Weiterbildung mit Blick auf den Deutschen Ärztetag Ende Mai in Düsseldorf. Die KBV vertritt die Interessen der Vertragsärzte und -Psychotherapeuten gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen und ist zugleich der Dachverband der entsprechenden Einrichtungen (KV) der Bundesländer.

Gerhard Nordmann von der KV Westfalen-Lippe wies auf fehlende Praxisnachfolger im ländlichen und städtischen Bereich hin. Norbert Metke von der KV Baden-Württemberg nannte die Überversorgung in seinem Bundesland eine rein rechnerische, derzeit könnten etwa 300 freie Hausarztsitze nicht neu besetzt werden. Die KBV will junge Ärzte vor allem für die Niederlassung gewinnen. Denn dort arbeiteten sie durchschnittlich 55 Wochenstunden, als Angestellte in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) aber vielleicht nur 36,5 Stunden, etwa wenn sie in Teilzeit seien, so KBV-Vorstand Andreas Gassen.

Der Konflikt um zumutbare Arbeitszeiten und Lebensmodelle zwischen Ärztefunktionären und medizinischem Nachwuchs fand sogar in den Werbekampagnen der Ärzte seinen Ausdruck: Seit Frühjahr 2013 schauen diverse Mediziner von riesigen Plakaten den Passanten ins Gesicht und verkünden »Ich arbeite für Ihr Leben gern.« Den Slogan hatten Medizinstudierende abgewandelt in »Ich arbeite acht Stunden am Tag für meine Patienten - und das zu hundert Prozent«, wie Gassen einräumte.

Christian Kraef, der gerade in Münster sein 8. Semester abgeschlossen hat, konstatiert dagegen keine so negative Stimmung gegenüber einer künftigen Niederlassung. Kraef, der Präsident der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland ist, sieht aber ein wachsendes Interesse daran, gemeinschaftlich zu arbeiten, sich jederzeit fachlich austauschen zu können sowie an flexiblen Möglichkeiten gegenseitiger Entlastung. Ein Berufsmonitoring der Medizinstudenten hatte schon 2010 ergeben, dass im Laufe des Studium das Interesse an einer Arbeit in einem MVZ kontinuierlich wuchs, die eigene Praxis als Perspektive dagegen immer unbeliebter wurde. Neue Zahlen dazu werden im Sommer erwartet. Zudem sei für den Berufseinstieg ein Angestelltenverhältnis durchaus erwünscht, um zu erfahren, ob die Verantwortung einer eigenen Praxis wirklich übernommen werde könne. Eine spätere Praxisübernahme sei nicht ausgeschlossen.

Die KBV-Forderungen zur Aus- und Weiterbildung der Nachwuchsmediziner decken sich teilweise mit Ansprüchen aus der Gruppe selbst. Regina Feldmann von der KBV will ebenso wie Kraef die Allgemeinmedizin stärken. Feldmann fordert, dass die ambulante Weiterbildung genauso sicher finanziert sein müsse wie die in den Kliniken - zu gleichen Tarifkonditionen. Auch Kraef ist dagegen, dass künftige niedergelassene Ärzte in ihrer Weiterbildung finanzielle Einbußen hinnehmen müssen. Er legt aber mindestens ebenso viel Wert auf inhaltliche Fragen. Die Allgemeinmedizin verdiene schon an den Universitäten einen höheren Stellenwert. Die Weiterbildung niedergelassener Ärzte erfordere eine sorgfältige Auswahl geeigneter Praxen und ein schlüssiges Gesamtkonzept. Ein einzelner Betreuer reiche nicht aus, in Kliniken sei auch ein ganzes Team ansprechbar.

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