Keine Spähsoftware für Diktatoren

Wirtschaftsminister Gabriel will den Export von Überwachungstechnologie in ausgewählte Staaten stoppen

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Zoll soll ein besonders wachsames Auge auf die Ausfuhr von Überwachungstechnologie haben. Sinnvoll ist ein solches Exportverbot aber nur mit einer internationalen Lösung.

Protest kündigt sich auch digital an. Menschen organisieren sich, mobilisieren Mitstreiter, berichten von Schwierigkeiten und wie man sie umgehen kann. Sie verschicken Mails oder Nachrichten mit dem Handy. Wenn Überwachungssoftware einen solchen Anstieg des Datenverkehrs feststellt, schlägt sie Alarm. Für Regimekritiker kann das zu Repressionen führen und im schlimmsten Fall tödlich enden.

Darüber hat sich nun auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) Gedanken gemacht. Er will den Export von Technologie zur Überwachung digitaler Kommunikation aus Deutschland verbieten, wenn sie Unrechtsregime zum Ziel haben. »Autoritäre Regime unterdrücken ihre Bevölkerung schon lange nicht mehr nur mit Panzern und Maschinengewehren, sondern zunehmend auch mit Internet-Überwachungstechnologie«, begründete Gabriel sein Vorhaben gegenüber der »Süddeutschen Zeitung«. Regierungen, die »Bürgerrechtsbewegungen unterdrücken und Menschenrechte nicht akzeptieren«, sollen künftig keine Adressaten von Spähsoftware made in Germany mehr sein.

Mit der Umsetzung der Idee hat Gabriel bereits begonnen. Sein Ministerium soll den Zoll angewiesen haben, bei der Ausfuhr von Überwachungstechnologie besonders darauf zu achten, welches Ziel sie hat und ob der Export genehmigt ist. In »problematischen Fällen« soll der Export verboten werden. Ziel muss laut Gabriel jedoch keine deutsche Alleinlösung sein sondern eine strengere Exportkontrolle auf EU-Ebene.

Um Spähsoftware einzusetzen, wird häufig auch entsprechende Hardware benötigt, die die Unternehmen teilweise mitliefern. Darüber hinaus senden die Unternehmen häufig Experten, die die Software einrichten. Eine deutsche Zollkontrolle alleine kann dabei nicht viel ausrichten, fürchtet der LINKEN-Bundestagsagbeordnete Andrej Hunko. »Es ist zu befürchten, dass die Hersteller solcher Tools künftig mehr auf das Internet ausweichen«, sagte er gegenüber »nd«. Darüber hinaus unterhielten viele Hersteller Mutter- oder Tochterfirmen im Ausland, über die ein Verkauf bequemer organisiert werden könne. »Sinn macht eine Maßnahme nur, wenn sie international abgestimmt ist, etwa im Rahmen des ›Wassenaar-Abkommens‹ oder anderer, internationaler Ausfuhrkontrollverfahren.«

Ein Verbot von Überwachungstechnologie fordert auch die im April gegründete Koalition gegen Exporte von Überwachungstechnologie (CAUSE). Der Verschlüsselungsexperte Rüdiger Weis, dessen Verein Digitale Gesellschaft der Koalition angehört, begrüßte den Vorstoß Gabriels. Aber: »Eine gesetzliche Regelung in Deutschland kann allerdings nur als Auftakt einer europäischen Lösung verstanden werden«, sagte er gegenüber »nd«. Das Verbot dürfe nicht auf wenige Staaten eingeschränkt werden, forderte Selmin Çalışkan, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. »Wir brauchen ein grundsätzliches Exportverbot«, so Çalışkan. Davon dürfe nur eine Ausnahme gemacht werden, wenn zweifelsfrei festgestellt werden könne, dass Menschenrechte nicht gefährdet seien. Amnesty hat sich ebenfalls CAUSE angeschlossen.

Solange es kein generelles Exportverbot gebe, müsse Gabriels Ministerium eine Liste vorlegen mit den Staaten, in die deutsche Unternehmen keine Spähsoftware mehr liefern dürfen, fordern die in CAUSE zusammengeschlossenen Organisationen. Auch müsse das Außenwirtschaftsrecht angepasst werden.

Deutsche Firmen gehören weltweit zu den Marktführern auf dem Gebiet. Rund zwanzig deutsche Firmen bieten Spähsoftware an, weltweit sind es der Organisation Privacy International (PI) zufolge 255. Im vergangenen Jahr reichte PI unter anderem gemeinsam mit dem Bahrain Center vor Human Rights eine Beschwerde bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gegen zwei führende Unternehmen auf dem Gebiet ein: das Münchener Unternehmen Trovicor und die britisch-deutsche Gamma Group. Bisher ohne Erfolg.

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