Lange U-Haft wegen vager Vorwürfe

Akademikerball mit Folgen: Jenaer Antifa sitzt in Wien

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Am 6. Juni beginnt vor dem Wiener Landgericht der Prozess gegen Josef S. Das Mitglied der sozialistischen Jugendorganisation »Die Falken« aus Jena ist nach Paragraf 274 des österreichischen Strafgesetzbuches angeklagt, der Vorwurf lautet »Rädelsführerschaft«. Eine Gruppe Jenaer Antifas ist nach Wien gefahren, um ihn zu unterstützen. S. wurde am Rande einer Demonstration am 24. Januar festgenommen, sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, sich in einer Menschenmenge befunden zu haben, von der Gewalt ausgegangen ist. Am Rande der Proteste gegen den Akademikerball waren in der Wiener Innenstadt einige Fensterscheiben zu Bruch gegangen. Für eine Beteiligung von S. gibt es keine Beweise.

Auch in Jena haben antifaschistische Gruppen und die Ortsgruppe der Roten Hilfe für den 6. Juni eine Solidaritätskundgebung für S. vorbereitet. An vielen Häuserwänden kann man die Parole »Solidarität mit Josef S. - betroffen ist einer, gemeint sind wir alle« lesen. Für Michael M. ist diese Parole mehr als ein Spruch. »Ich bin am 24. Januar gemeinsam mit Josef nach Wien gefahren, um mich an den Protesten gegen den Ball zu beteiligen«, sagte der junge Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Insgesamt 8000 Menschen hatten an diesen Tag in der österreichischen Hauptstadt gegen die bis 2012 von schlagenden Burschenschaften ausgerichtete Veranstaltung demonstriert.

In den letzten Jahren ist der heute von der rechtspopulistischen FPÖ organisierte Akademikerball zum Stelldichein der europäischen Rechten geworden. Aus Deutschland nahmen Mitglieder der NPD und anderer extrem rechter Gruppierungen daran teil. Doch auch der Widerstand ist in den letzten Jahren europaweit gewachsen. Schon im Vorfeld schürten rechte Politiker und Medien in Wien Angst vor »gewalttätigen Anarchisten aus Deutschland«. Die Jenaer Unterstützergruppen befürchten, dass an Josef S. ein Exempel statuiert werden soll.

Proteste gegen die U-Haft gibt es auch in Österreich. »Wir halten es für unverantwortlich, einen jungen Menschen, der zudem nicht vorbestraft ist, aufgrund eines bislang vagen Verdachtes so lange der Untersuchungshaft auszusetzen«, schreibt die den österreichischen Sozialdemokraten nahestehende Sozialistische Jugend. Auch das Österreichische Komitee für Grundrechte bezeichnete S. in einen Offenen Brief an den österreichischen Bundesjustizminister Wolfgang Brandstetter (parteilos) als »Bauernopfer« und fordert seine Freilassung. In der Kritik steht auch der Paragraf 274, nach dem jemand wegen Landfriedensbruch angeklagt werden kann, wenn er sich in einer Gruppe aufhält, von der auch Gewalt ausgeht, ohne dass ihm eine individuelle Tatbeteiligung nachgewiesen wird.

Freunde von Josef S. hoffen nun, dass der Jenaer bei Prozessbeginn freigelassen wird. Für die Solidaritätsgruppen wäre dann die Arbeit noch nicht beendet. Die Justiz ermittelt gegen weitere Teilnehmer der Proteste gegen den Wiener Akademikerball aus Deutschland.

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