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Der Nachtportier
30 Autoren schlagen Wolfgang Welt für den Literaturpreis Ruhr vor
Zu seinen Lebzeiten gilt der große Schriftsteller nichts im eigenen Land. Kaum einer kennt sein Werk, während den Windmachern, Halbalphabeten und Fräuleinwundern des Literaturbetriebs die Preise und Stipendien im Dutzend nachgeworfen werden. Wolfgang Welt, 61 Jahre alt und seit über 20 Jahren als Nachtportier im Schauspielhaus Bochum tätig, ist ein zu Unrecht Vergessener. Ausweislich der Webseite des Suhrkamp-Verlags sind seine autobiografischen Romane zwar nach wie vor erhältlich. Verkauft haben dürften sich aber nicht allzu viele Exemplare. Dass Welts Werk vor Jahren überraschend im Suhrkamp-Programm auftauchte, ist Peter Handke zu verdanken, der von der Verlagsleiterin energisch verlangt haben soll, dass Welts bis dahin in Kleinstauflagen kursierende Romane endlich wiedererscheinen. Die Chefin willigte ein.
In den 80ern verdingte sich Welt für mageres Zeilengeld als Autor für diverse Zeitschriften, etwa das legendäre »Sounds« oder das Bochumer Stadtmagazin »Marabo«, in denen er Plattenkritiken veröffentlichte und einen einzigartigen subjektiven Stil etablierte. »Ich denk nicht großartig nach beim Schreiben«, sagte er einmal. Eines Tages landete er in der Psychiatrie. Bleibendes Verdienst erwarb er sich, indem er den sich für einen Großpoeten haltenden Schlagersänger Heinz-Rudolf Kunze einmal einen »singenden Erhard Eppler« nannte. In Welts Romanen findet man einen eigenwilligen Realismus, Szenen aus dem Nachtleben des Ruhrpotts. Und Berichte von erotischen Begegnungen: »Ich drehte sie um und küsste sie. Sie wehrte sich nicht. Leidenschaft schien auch dabei zu sein.« Leidenschaft hin oder her, nicht alles läuft wie gewünscht: »Behutsam legte ich mich über sie - und kam, bevor ich richtig drin war. Sie war sofort ernüchtert.« Eine kunstvoll hingerotzte Prosa, in der Hochkomik mit bitterer Melancholie eine innige Verbindung eingeht. In einem soeben publizierten Aufruf wird ein Literaturpreis für Welt gefordert. Zu den Unterzeichnern gehören die Schriftsteller Dietmar Dath und Peter Handke.
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