Beim Gasnetz gibt es Zoff

Vergabe an landeseigenes Unternehmen wird von der CDU in Berlin in Zweifel gestellt

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 5 Min.
Die Große Koalition im Land Berlin streitet sich über die Rekommunalisierung des Gasnetzes. Während die SPD die öffentliche Daseinsvorsorge stärken will, ist das für die CDU keine Herzensangelegenheit.

Ob das Thema Gasnetzvergabe am heutigen Dienstag tatsächlich auf der Tagesordnung der Senatssitzung im Roten Rathaus in Berlin steht, war am Montag unklar. »Das ist offen«, erklärte Senatssprecher Richard Meng. Bereits Anfang Juni war die in der rot-schwarzen Senatskoalition stark umstrittene Vergabe des Gasnetzes an das kommunale Unternehmen Berlin Energie (siehe Kasten) kurzfristig verschoben worden. »Der Vergabevorschlag des Finanzsenators wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet«, hatte damals der Generalsekretär der Berliner CDU, Kai Wegner, erklärt. Solange die vielen offenen Fragen nicht beantwortet sind, sei die Unsicherheit für eine schnelle Senatsentscheidung viel zu groß. Gut möglich, dass die Entscheidung an diesem Dienstag erneut aufgeschoben wird, um eine Koalitionskrise zu vermeiden.

Beim Thema Rekommunalisierung der Energienetze klaffen die Meinungen zwischen SPD und CDU im Land Berlin weit auseinander. Während der Rückkauf der Netze und die Stärkung der Daseinsvorsorge für die Union keine »Herzensangelegenheit« ist, hat die SPD das zu ihrem »Markenkern« erklärt. »Wir finden es politisch richtig, im Bereich der Daseinsvorsorge die Linie der SPD durchzusetzen, nämlich wieder eine stärkere öffentliche Verantwortung zu etablieren«, hatte der SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß jüngst auf einer Veranstaltung des »neuen deutschland« betont.

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Die Rekommunalisierung der Energienetze liegt bundesweit im Trend. Auch in der Hauptstadt Berlin wird seit längerem die Stärkung der kommunalen Daseinsvorsorge diskutiert. Doch beim Rückkauf des Gasnetzes gibt es jetzt eine handfeste Koalitionskrise: Die mit der SPD regierende CDU versucht, die Vergabe an die landeseigene Berlin Energie zu verhindern.

Gasnetzvergabe in Berlin

  • März 2012: Das kommunale Unternehmen Berlin Energie wird gegründet. Der landeseigene Betrieb soll sich, wie in der Koalitionsvereinbarung beschlossen, für den Betrieb des Gas- und Stromnetzes bewerben.
     
  • November 2012: Der Senat beschließt in einem ersten Verfahrensbrief eine Aufforderung zur Abgabe von Eignungsnachweisen.
     
  • April 2013: Nach einem Senatsbeschluss werden in einem zweiten Verfahrensbrief die Auswahlkriterien und eine Aufforderung erster Angebote verschickt. Mit im Rennen sind als Eigenbewerber Berlin Energie, als Drittbewerber die Gasag-Tochter NBB, Alliander sowie EnviaM. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Angeboten für eine Teilrekommunalisierung.
     
  • Januar 2014: Aufforderung zur Abgabe finaler Angebote.
     
  • Juni 2014: Vergabeentscheidung für Berlin Energie, Beschluss des Senats und des Abgeordnetenhauses zum eine Milliarde Euro teuren Rückkauf des 7000 Kilometer langen Netzes ab 2015 stehen noch aus. mkr

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Die Union hat zwar im Koalitionsvertrag mit der SPD diese Politik mitgetragen. In der rot-schwarzen Vereinbarung heißt es: »Mit der Neuvergabe der 2013/2014 auslaufenden Gas- und Stromkonzessionsverträge für die Verteilungsnetze wird das Land Berlin mit Nachdruck Einfluss auf die Rahmenbedingungen der Strom- und Gasversorgung als öffentlicher Daseinsvorsorge nehmen, um sie unternehmens- und bürgerfreundlich zu gestalten.« Doch jetzt, wo es mit der Vergabe der Gasnetzkonzession an Berlin Energie und eben nicht an die Gasag konkret wird, versucht die CDU, die Entscheidung anzuzweifeln.

In einer bemerkenswerten Aktion haben Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer und Justizsenator Thomas Heilmann (beide CDU) in den vergangenen Tagen zusätzliche Fragen zu der Vergabeentscheidung an Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) gerichtet, unter dessen Leitung das Vergabeverfahren für das Gasnetz stand. »Es gibt durchaus eine Reihe offener Fragen an den Finanzsenator«, hatte Wirtschaftssenatorin Yzer im rbb erklärt. Die mit Fragen gespickte Stellungnahme des Justizsenators Thomas Heilmann soll nach Informationen der »Berliner Morgenpost« sogar 35 Seiten lang sein. Sie soll auf die Einschätzung »rechtswidrig« hinauslaufen. In der letzten Abgeordnetenhaussitzung hatte Heilmann mit Verweis auf »die Vertraulichkeit« von Senatssitzungen Angaben zu seiner rechtlichen Einschätzung vermieden. Ganz allgemein hatte er gesagt: »Sollte eine Senatsvorlage eine rechtswidrige Entscheidung beinhalten, dann kann nicht nur der Justizsenator, sondern kein Senator dem zustimmen.«

Ob bei der Vergabeentscheidung des Finanzsenators für das kommunale Unternehmen alles mit rechten Dingen zugegangen ist, will unterdessen auch das Bundeskartellamt wissen. »Wir haben die Unterlagen zur vorläufigen Auswahlentscheidung angefordert und schauen die uns an«, sagte der Sprecher des Bundeskartellamtes, Kay Weidner, dem »nd«. Der Hintergrund für die Anfrage der Wettbewerbshüter ist der sogenannte »Change of Control«-Passus, der eine Übergabe des Netzes von einem Unternehmen an ein anderes regelt. Die Finanzverwaltung wollte mit der Vorgabe sicherstellen, dass das Gasnetz nicht während der laufenden Konzession beispielsweise an ein Unternehmen aus China veräußert werden kann, sondern dass der Senat in einem solchen Fall ein Einspruchsrecht hat. Die Bonner Kartellwächter, die vom Senat gebeten worden waren, die Ausschreibung des Gasnetzes zu begleiten, hatten bereits im Dezember 2013 darauf hingewiesen, dass sie den Übernahmevorbehalt »kritisch« sehen. Als man nun aus den Medien erfahren haben, dass die »Change-of-Control«-Klausel so relevant für die Vergabe war, habe man nachgefragt, sagte Weidner. Es gebe bisher aber kein »Prüfverfahren«, betonte der Sprecher.

Juristisch zu Wehr setzen will sich der bisherige Betreiber des Gasnetzes, die Gasag. Das Unternehmen, deren Gesellschafter E.on, Gaz de France und Vattenfall sind, hatte bereits in der vergangenen Woche eine Klage angekündigt. »Jetzt kämpfen wir darum, unseren Job als Gasnetzbetreiber dieser Stadt nach 170 Jahren weitermachen zu können«, hatte Gasag-Vorstandschef Stefan Grützmacher erklärt. Das Unternehmen zweifelt an, dass die knappe Vergabeentscheidung des Senats für Berlin Energie mit 311 Punkten und 299 Punkten für die Gasag »korrekt und diskriminierungsfrei« gelaufen ist.

In der von allen Seiten attackierten Finanzverwaltung sieht man den Konflikt um die Vergabe und mögliche rechtliche Auseinandersetzungen indes gelassen. »Wir haben die unterschiedlichen Kriterien für die Vergabe in jedem Schritt mit dem Senat und dem Abgeordnetenhaus abgestimmt. Und waren in engem Austausch mit dem Bundeskartellamt«, sagte Ulrich Nußbaum der »Berliner Morgenpost«. Offene Fragen, so der Finanzsenator, sollen noch geklärt werden.

Die Opposition im Abgeordnetenhaus kann aus dem Koalitionszoff derweil kaum Kapital schlagen, sie steht genauso gespalten da wie die Senatskoalition: Die Grünen beispielsweise wollen die Gasnetzvergabe wie die CDU nicht »übers Knie brechen«. Die LINKE ist dagegen für eine Rekommunalisierung. »Wir schlagen vor, sich vorher mit der Gasag außergerichtlich zu einigen, mit der Zielsetzung die Gasag-Anteile zu übernehmen«, sagte der energiepolitische Sprecher der Linksfraktion, Harald Wolf, dem »nd«. Denn es mache nur Sinn, wenn das Land Berlin gleich die ganze Gasag von den privaten Gesellschaftern zurückkauft.

Ähnlich kontrovers gehen die Meinungen unter Verbänden sowie Bürgerinitiativen auseinander. Während IHK und Unternehmerverbände die Entscheidung teilweise anzweifeln, pocht das Bürgerbündnis »Berliner Energietisch« auf den Rückkauf des Gasnetzes. »Wer den Berlinerinnen und Berlinern vor dem Energie-Volksentscheid verspricht, alles für eine Rekommunalisierung der Energienetze zu tun, darf nun keinen Rückzieher machen«, sagte der Sprecher des Energietisches, Stefan Taschner.

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