Gemeinsam alleinerziehend

Das »4-Häuser-Projekt« in Tübingen gibt alleinstehenden Müttern und Vätern Freiräume

  • Katrin Kasper, Tübingen
  • Lesedauer: 3 Min.
Allein ein Kind erziehen: ein schwerer Job. Um die Dreifachbelastung aus Beruf, Betreuung und Haushalt besser auszuhalten, ziehen manche Alleinerziehende in eine WG mit hilfsbereiten Mitbewohnern.

Sieben Uhr. Der Wecker holt Birgit Hoinle aus ihren Träumen. Sie steht auf, macht Frühstück für ihren Sohn Astu und begrüßt ihre Mitbewohner, die einer nach dem anderen das Bad in Beschlag nehmen. Dann bringt sie den Vierjährigen in den Kindergarten und fährt selbst zur Universität, an der sie als Dozentin arbeitet - und nebenbei noch promoviert. Dass sie das kann, hat die 28-Jährige auch ihrer Wohngemeinschaft zu verdanken, in der sie mit Astu und drei Alleinstehenden in Tübingen (Baden-Württemberg) lebt.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gab es in Deutschland 2012 knapp 2,7 Millionen alleinerziehende Eltern, darunter 2,3 Millionen Mütter. 1,6 Millionen der Alleinerziehenden haben dabei ein Kind unter 18 Jahren.

Alleinerziehende haben es nicht leicht. Sie müssen alle Aufgaben übernehmen, die Paare auf zwei Personen aufteilen können: Geld verdienen, Kinder betreuen, den Haushalt schmeißen. Wer keine regelmäßige Unterstützung von der Familie erhalten kann, muss äußerst multitasking-fähig sein oder andere Lösungen für die Dreifachbelastung finden. Hoinle hat die Initiative für sich und ihren Sohn ergriffen - im »4-Häuser-Projekt« in Tübingen sind die beiden zu Hause. Seit Ende 2011 leben innerhalb des Projektes Familien, Einzelpersonen und Alleinerziehende auf vier Häuser verteilt unter einem Dach. Ziel ist das selbstverwaltete und bezahlbare Wohnen in einer Gemeinschaft. Es gibt neben getrennten Wohneinheiten auch Gemeinschaftsräume, die beispielsweise für Gruppentreffen genutzt werden. »In unserem Haus haben wir 17 Erwachsene und 13 Kinder, darunter je drei WGs und Familien«, sagt Hoinle.

»Ich lebe lieber mit anderen zusammen. Eine Zweck-WG sind wir nicht.« Abends werde zusammen gegessen und am Wochenende auch gemeinsam gefrühstückt. »Für mich vereinfacht die WG vieles. Die Miete ist günstiger und bleibt im Projekt stabil. Ich kann auch mal ausgehen, denn es ist jemand da, der auf Astu aufpasst. Und im Haus hat er gleichaltrige Spielkameraden.« Ohne eine solche Initiative wäre es für die alleinerziehende Mutter kaum möglich, eine Bleibe in der Stadt zu finanzieren.

Ein anderer Weg, bei dem sich Alleinerziehende gegenseitig unterstützen, sind von ihnen selbst gegründete WGs mit Kindern. Die Macher der Portale »noknok24« und »WG-Gesucht.de« bestätigen eine steigende Zahl von Inseraten für diese WG-Form. »Seit 2011 hat sich die Anzahl verdreifacht. An der Spitze liegt Berlin, gefolgt von München, dann Hamburg«, sagt Annegret Mülbaier von »WG-Gesucht.de«. »Zudem nimmt allgemein die Kinderfreundlichkeit in vielen Städten zu.« So seien mehr Inserate mit dem Vermerk »gerne auch alleinerziehende/r Mutter/Vater mit Kind« gekennzeichnet.

Auch in Studentenwohnheimen finden sich Alleinerziehende mit Kind. »In Deutschland sind von den Studierenden mit Kind nur elf Prozent alleinerziehend. Das sind ungefähr 10 000 Studierende«, sagt Stefan Grob vom Deutschen Studentenwerk. »Bei einer Bewerbung für das Wohnheim bieten wir ihnen meist Doppelappartements an.«

Susanne Krell wohnt mit ihrer dreijährigen Tochter Jalina im Familienwohnheim in Tübingen. Die 34-Jährige studiert im fünften Semester Jura und hat bereits ein Studium in Betriebswirtschaftslehre abgeschlossen. »Wir Alleinerziehende unterstützen uns ab und an«, sagt sie. In dem Verhältnis zu ihren Nachbarn sei das einfach normal. dpa/nd

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