Linksreformer wählen Neuhaus-Wartenberg und Heilig

»Neue inhaltliche Debatten«: Forum demokratischer Sozialismus plant Herbstakademie und geht auf andere Strömungen zu / Pau: Brücken schlagen

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Berlin. Luise Neuhaus-Wartenberg und Dominic Heilig stehen künftig an der Spitze des Forums demokratischer Sozialismus (fds) in der Linkspartei. Auf einem Treffen in Berlin wurde die sächsische Linkenpolitikerin im Amt bestätigt, der Europaexperte Heilig löst den Bundestagsabgeordneten Stefan Liebich als Bundessprecher der linksreformerischen Strömung ab. Beide wurden mit jeweils über 90 Prozent gewählt. An dem Treffen nahmen über 100 Mitglieder teil.

Nach dem Berliner Parteitag der Linken, den das Forum angesichts von Personalentscheidungen als »eine bittere und deutliche Niederlagen« bezeichnet hatte, wurde am Samstag auf dem außerordentlichen Treffen auch grundsätzlich über die Zukunft des Forums beraten. Das fds löse sich nicht auf, sagte Heilig gegenüber »nd« - man werde »weiter in und für die Linkspartei arbeiten«. Seit dem Parteitag seien über 60 neue Mitglieder registriert worden, darunter auch Bundestagsfraktionsvize Dietmar Bartsch und der Thüringer Bundestagsabgeordnete Frank Tempel.

Heilig sagte, das Forum wolle »keine Partei in der Partei, kein Heimat- oder Traditionsverein« sein. Ziel der Arbeit sei stattdessen die Stärkung der Linken. Deshalb wolle man als »Strömung und Forum für neue inhaltliche Debatten« wirken. Dies sei dem fds etwa bei der Formulierung des Europawahlprogramms bereits gelungen, man habe bewiesen, »dass wir der Partei inhaltliche Angebote unterbreiten können, die mehrheitsfähig sind«. Es sei aber in der Diskussion auch deutlich geworden, dass das fds nicht allein das Reformerlager in der Linken repräsentiert. Man sei, so Heilig, »ein organisierter Teil dessen«.

Mit Blick auf aktuelle Äußerungen von SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte Heilig, »ein echter Politikwechsel, die Ablösung der Regierung Merkel« sei nur mit einer starken Linkspartei möglich, »die gesellschaftlich verankert ist und weitere Bündnispartner sucht«. Der Vorsitzende der Sozialdemokraten wolle offenbar »weiter der Abreißer für Eintrittskarten im bleiernen Theater der Kanzlerin bleiben«. Die Diskussion über rot-rote und rot-rot-grüne Bündnisse werde aber auch ohne Gabriel weitergehen, für einen solchen Dialog, so Heilig, wolle sich das fds weiter einsetzen.

Der Linkenpolitiker, der auf dem Berliner Parteitag bei der Wahl zu den Stellvertreterposten knapp unterlegen war, verwies allerdings auch auf »nach wie vor nicht geklärte Fragen« in der Partei. Diese sollten im Forum nun verstärkt aufgegriffen werden, etwa mit Blick darauf, wie sich die Linke »als sozialistische Bürgerrechtspartei« positionieren wolle. Im Herbst sei eine Akademie geplant; außerdem wolle man in den kommenden Tagen Vertreter der anderen Strömungen zum gemeinsamen Gespräch einladen. Dabei soll es dann vor allem darum gehen, »wie wir einen kulturvollen Dialog in der Partei organisieren können«, sagte Heilig.

Die Vizepräsidentin des Bundestags, Petra Pau, sagte bei dem Treffen des Forums, das Kontra der Linken sei »klar, unser Pro verschwommen. Das zu ändern, könnte ein strategischer Anspruch« des Forums demokratischer Sozialismus werden. Die Partei brauche nicht nur Friedens- und Sozialkompetenz, sondern müsse auch auf Feldern wie der Solar- und Netzpolitik Antworten geben. Pau sprach unter anderem die Herausforderungen einer stark vernetzten und die Arbeitswelt grundlegend verändernden Industrie 4.0 an. Pau sagte, das Forum demokratischer Sozialismus solle sich - nicht als Partei in der Partei, sondern als Forum - solchen »Fragen annehmen und somit Brücken zu weiteren Akteuren schlagen«.

Vor dem außerordentlichen fds-Treffen war innerhalb der Strömung eine rege Diskussion über den Stand der Arbeit und die realen Ergebnisse entfacht worden. Dabei waren auch teils deutliche Differenzen über den Sinn einer Strömungsorganisation zutage getreten, es hatte auch Austritte gegeben. Der frühere Bundessprecher des Forums, Benjamin-Immanuel Hoff, äußerte sich auf dem Treffen kritisch über den Zustand des Forums. Die Strömung solle zunächst eigene Defizite angehen, bevor mit »mit dem Finger auf andere Akteure in der Partei« gezeigt werde. Es müsse um verstärkte Verankerung in den Regionen gehen, darum, reformpolitische Debatten zu führen oder linksreformistische Positionen weiterzuentwickeln. Der frühere Gesundheitsstaatssekretär in Berlin mahnte, den formulierten Anspruch des kulturvollen und pluralistischen Umgangs miteinander in der Linken auch selbst besser zu erfüllen. nd

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