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US-Haft für russischen Hacker

Moskau nennt Verschleppung von Promi-Sohn Roman Selesnjow »unfreundlichen Schritt«

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Die USA halten ihn als Hacker von Kreditkarten für äußerst gefährlich. Ihre Agenten fassten den Russen auf den Malediven und nahmen ihn einfach mit nach Guam.

Südsee-Feeling der etwas anderen Art genießt seit Sonnabend ein Russe, den die USA für einen der gefährlichsten Hacker weltweit halten. Roman Selesnjow soll zwischen 2009 und 2011 die Kreditkarten von über 200 000 USA-Bürgern geknackt und deren Daten auf eigens dazu geschaffenen Plattformen im Netz verscherbelt haben. US-amerikanische Geheimdienste fahnden seit 2012 nach ihm. Kaum, dass Selesnjow auf den Malediven gelandet war, ließen sie nun die Handschellen zuschnappen. Statt in einem Fünf-Sterne-Hotel des Tropenparadieses im Indischen Ozean sitzt er nun im Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses auf der Pazifikinsel Guam, die den USA gehört.

Selesnjow wurde dort bereits dem Haftrichter vorgeführt. Der Prozess gegen ihn soll am 22. Juli beginnen. Wird er schuldig gesprochen, drohen ihm bis zu 67 Jahre Haft und eine Geldstrafe in Höhe mehrerer Millionen. Besonders peinlich: Der 30-jährige Hacker ist nicht irgendwer, sondern der Sohn von Waleri Selesnjow. Der wiederum gehört zu den engsten Vertrauten des russischen Ultranationalisten Wladimir Shirinowski und zu den Vorturnern der Fraktion von dessen Liberaldemokratischer Partei in der russischen Staatsduma. Dort brilliert die Truppe seit über 20 Jahren mit pseudooppositioneller Rhetorik. Sie stimmt, wenn es darauf ankommt, jedoch stets so ab, wie die Kremlpartei »Einiges Russland« es wünscht.

Moskau bemüht sich derweil nach Kräften, den Skandal herunterzuspielen. Die Vorwürfe gegen seinen Sohn, tobte Vater Selesnjow, seien frei erfunden. Auch das Außenministerium äußerte Zweifel an der Beweislage. Sprecher Alexander Lukaschewitsch sprach von einem weiteren »unfreundlichen Schritt Washingtons«, der das wegen der Ukrainekrise ohnehin extrem gespannte Verhältnis weiter belasten würde.

Ganz von der Decke geholt sind die Vorwürfe nicht. Der Hacker wurde faktisch entführt und mit einem Privatflugzeug nach Guam gebracht. Er hat bisher weder einen Rechtsbeistand noch Kontakt zu Beamten des zuständigen russischen Konsulats. Moskau, rügte Lukaschewitsch, sei bisher über die Verhaftung Selesnjows nicht einmal von Washington informiert worden. Russland werde sich um eine Auslieferung bemühen.

Die Erfolgschancen sind aus Sicht von Experten so gering wie bei dem inzwischen rechtskräftig verurteilten Waffenschmuggler Viktor But, der berüchtigte Regime weltweit mit Restbeständen der Sowjetarmee beliefert hatte.

Russland hatte Ende der 90er Jahre, als die zweiseitigen Beziehungen weniger getrübt waren, versucht, die USA für ein Auslieferungsabkommen zu begeistern. Vergeblich. Washington begründete die Absage auch mit unterschiedlichen Standards bei der Bekämpfung von Cyber-Kriminalität im Westen und den Schwellenländern, ein »Geschäftsfeld«, das damals in Russland noch in den Kinderschuhen steckte. Inzwischen gehen sogar hiesige Experten davon aus, dass auf Russen und Menschen aus anderen ehemaligen Sowjetrepubliken - viele leben inzwischen im Westen und haben die Staatsangehörigkeit ihrer Gastländer angenommen - derzeit rund 75 Prozent aller Cyber-Attacken entfallen. Russische Softwarefirmen, glaubt Ilja Satschkow von der auf Bekämpfung von Netzkriminalität spezialisierten privaten Moskauer Sicherheitsfirma IB wüssten am besten, wie die ticken und hätten daher auch die weltweit besten Programme für Computersicherheit entwickelt.

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