Etikettenschwindel im Bundesrat

Länderkammer berät über unkonventionelle Gasfördermethode

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.
Hessen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg wollen Fracking streng reglementieren, aber nicht ganz verbieten.

Fracking - Ja, nein oder doch vielleicht? »Das Thema Fracking bewegt die Gemüter«, stellte zumindest Umweltstaatssekretär Florian Pronold (SPD) am Freitag im Bundesrat fest. Dort debattierten die Vertreter der Länder über die umstrittene Gasfördermethode. Während Niedersachsen als Befürworter gilt, wollen Hessen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein zumindest das sogenannte unkonventionelle Fracking verbieten lassen. Umweltschützern geht diese Initiative jedoch nicht weit genug.

Beim Fracking wird ein Gemisch aus Wasser und Chemikalien unter hohem Druck in Gesteinsschichten gepresst, um so die dort befindlichen Erdgasvorkommen freisetzen und fördern zu können. Dabei unterscheidet man gemeinhin zwischen konventionellem und unkonventionellem Fracking. Ersteres wird bereits in Deutschland angewandt und dient vor allem zur Steigerung der Fördermenge konventioneller Gasvorkommen. Bei unkonventionellem Fracking werden vor allem Schiefergesteins- und Kohleflözschichten aufgespalten.

Bereits vergangene Woche einigten sich Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (beide SPD) auf gemeinsame Eckpunkte zur Regelung des Frackings. Demnach soll das konventionelle Fracking weiterhin erlaubt bleiben. Die unkonventionelle Gasförderung aus Schiefer- und Kohleflözgestein oberhalb von 3000 Metern Tiefe, sowie in Wasser- und Naturschutzgebieten wird jedoch durch das Wasserhaushaltsgesetz untersagt. Das Verbot ist jedoch nicht für immer: Im Jahr 2021 soll der Gesetzgeber die Regelung überprüfen.

Dies geht Schleswig-Holstein, Hessen und Baden-Württemberg nicht weit genug. Sie fordern in einem Entschließungsantrag das generelle Verbot unkonventionellen Frackings. »Der Schutz unseres Trinkwassers ist ein hohes Gut«, erklärte dazu Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne). Die Eckpunkte von Gabriel und Hendricks reichten dabei nicht aus, die Risiken auszuschließen. Zudem sei Fracking »selbst unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten« nicht sinnvoll.

Auf der anderen Seite steht Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD): »Wir wollen technisches Know-how, Arbeitsplätze und Energiereserven sichern - und damit die Zukunft der Erdgasförderung.« Sein Bundesland will Erdgasförderungen bereits ab einer Tiefe von 2500 Metern zulassen. Dabei ist Niedersachsen von wirtschaftlichen Motiven getrieben: »95 Prozent des in Deutschland geförderten und immerhin zwölf Prozent des bundesweit verbrauchten Erdgases stammen aus niedersächsischen Vorkommen«, so Lies.

Derweil demonstrierten Umweltgruppen am Freitag vor dem Bundesrat. Sie fordern ein generelles Frackingverbot. »Der vermeintliche Unterschied zwischen konventionellem und unkonventionellem Fracking ist eine Legende«, erklärte Oliver Kalusch vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), gegenüber »nd«. Er kritisiert, dass es bis jetzt noch kein systematisches Monitoring zur unkonventionellen Gasfördermethode gibt. »Niemand hat sich jemals die Mühe gemacht, herauszufinden, welche Schäden dadurch bereits entstanden sind«, so Kalusch.

Chris Methmann von Campact hält deswegen die Bundesratsinitiative Schleswig-Holsteins für einen Etikettenschwindel: »Konventionelles Fracking bleibt erlaubt und giftige Rückstände dürfen weiter verpresst werden.« Wer es mit dem Schutz »unseres Trinkwassers und des Weltklimas ernst« meine, der müsse alle Formen des Fracking verbieten. Campact hatte in den vergangenen Wochen zusammen mit dem BBU und dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland 460 000 Unterschriften gegen das Fracking gesammelt.

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