Wackeln an der Krone

Oppositionsparteien in Sachsen stellen ihre Kampagnen für die Landtagswahl vor

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Am 31. August wird in Sachsen gewählt; jetzt hängen erste Plakate. Die SPD preist ihren Frontmann; die LINKE weist auf die Staatskanzlei.

Von Gerhard Schröder ist die Anekdote überliefert, er habe im jugendlichen Übermut am Zaun des Bonner Kanzleramtes gerüttelt und »Ich will hier rein!« gerufen. Die Staatskanzlei am Elbufer in Dresden, in der seit 1990 ohne Unterbrechung drei CDU-Ministerpräsidenten residierten, hat keinen Zaun. Markantestes Merkmal ist die goldene Krone auf dem Dach. Nun ist der symbolträchtige Zierrat auf Großplakaten zu sehen, mit denen die LINKE bis Ende August um Wähler wirbt. Auf den Satz »Wir wollen hier rein!« haben die Genossen verzichtet. Dafür heißt es in großen Lettern: »25 Jahre CDU sind genug!«

Die unmissverständliche Ansage ist der gravierendste Unterschied zu den Kampagnen von SPD und Grünen, die allesamt in den letzten Tagen vorgestellt wurden und die ahnen lassen, welche politischen Schwerpunkte die drei Parteien bis zum 31. August setzen wollen. Dabei wundert es wenig, dass die Wahlstrategen ähnliche landespolitische Baustellen ausgemacht haben. Es geht zum Beispiel um Defizite im Bildungssystem, das zwar bei Leistungsvergleichen oft sehr gut abschneidet, in dem aber Lehrer fehlen und Unterricht ausfällt. Ein Plakat der Grünen wirbt daher »Für eine Schule, die ohne Rotstift auskommt«; die SPD fragt: »Wie viel sind uns unsere Kinder wert?«; und die LINKE will sich um »PISA-Lob UND weniger Studienabbrecher« kümmern.

Auch bei anderen Themen gibt es eine wenig überraschende politische Nähe: SPD wie LINKE gehen auf Arbeitsbedingungen in der Wirtschaft ein, auf Defizite im öffentlichen Dienst oder auf die wachsende Kluft zwischen Stadt und Land. »Arztpraxen im ganzen Land halten!«, steht auf einem SPD-Plakat, »Investitionen in Stadt UND Land« bei der LINKEN.

Eigene Akzente setzen die Grünen, indem sie - kaum verwunderlich - ökologische Themen in den Fokus rücken. Es geht um die gleichberechtigte Förderung von Rad, Bus und Bahn, um Absagen an Kohle und Massentierhaltung oder ein Plädoyer für die Wahrung bürgerlicher Freiheit im »Freistaat«: Ein witziges Plakat zeigt das Gehäuse einer Überwachungskamera, in dem Amseln nisten.

Die Plakate der SPD zeigen derweil nur eines: Martin Dulig. Der 40-jährige Spitzenkandidat, der die Genossen aus dem Zehn-Prozent-Tal der letzten Landtagswahlen führen will, hat die Kampagne konsequent auf seine Person zuschneiden lassen. Die Plakate zeigen ihn mal Ärmel aufkrempelnd, mal grübelnd oder Grimassen schneidend. Die Strategie ist durchaus gewagt; schließlich war der SPD-Landeschef bei den Wählern bisher nicht übermäßig bekannt. Um das zu ändern, lässt die Partei derzeit eine Broschüre verteilen - Titel: »Kennen sie diesen Mann?«

Die LINKE, sagt ihre Wahlkampfmanagerin Antje Feix, verzichte »auf Superstars«, auch wenn Spitzenkandidat Rico Gebhardt »dem Programm sein Gesicht geben« werde. Er ist, ebenso wie bei den Grünen das Spitzenduo Antje Hermenau und Volkmar Zschocke, auf einem Plakat zu sehen; ansonsten dominieren symbolträchtige Motive: die in Moscheeform gebaute »Yenidze« in Dresden auf einem Plakat zur Integration oder ein kunterbunt bemalter Kraftwerksschornstein in Chemnitz als Illustration zur Energiepolitik.

Und außerdem: die Krone. Mit der will sich die LINKE auch von den beiden Parteien absetzen, die zugleich als potenzielle Partner in einer künftigen Regierung umworben werden. »Im Gegensatz zu anderen«, sagt Feix in Anspielung auf SPD und Grüne »liebäugeln wir nicht mit einer Koalition mit der CDU.« Wer glaubt, die Politik der CDU »etwas sozialer oder ökologischer« gestalten zu können, der werde »sein schwarzes Wunder« erleben, fügt Gebhardt hinzu. Nun gilt es nur noch, die Botschaften an die Wähler zu bringen - was schwieriger wird als bei früheren Wahlen. Gestern begannen im Freistaat die Schulferien. Gewählt wird am letzten Tag, bevor die Urlaubssaison beendet ist.

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