Führungswechsel bei bulgarischen Sozialisten

Michail Mikow soll die Partei in die vorgezogenen Wahlen im Oktober führen

  • Tina Schiwatschewa, Sofia
  • Lesedauer: 3 Min.
Michail Mikow heißt der neue Vorsitzende der Bulgarischen Sozialistischen Partei (BSP). Er ersetzt den langjährigen Partei- und früheren Regierungschef Sergej Stanischew.

Zwei Wahlgänge brauchte der 48. BSP-Kongress am vergangenen Wochenende, um für die Nachfolgerin der Bulgarischen Kommunistischen Partei einen neuen Vorsitzenden zu küren. Zum ersten Wahlgang waren immerhin neun Kandidaten angetreten. Aus dem zweiten ging Michail Mikow als Sieger hervor. Er soll die Partei in die vorgezogenen Parlamentswahlen im Herbst führen.

Sergej Stanischew, der zurückgetretene Vorsitzende, wurde anschließend einmütig als Kandidat für eine weitere Amtszeit als Chef der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) nominiert. Stanischew hatte seinen seinen Rücktritt noch einmal begründet: Er könne nicht zulassen, dass die BSP für Fehler bestraft werde, die er selbst begangen habe.

Der Kongress fand in einer wahrlich für die Partei wie für ganz Bulgarien schwierigen Zeit statt. Bei den EU-Wahlen im Mai hatten die Sozialisten eine deprimierende Niederlage gegen die Mitte-Rechts Partei GERB des ehemaligen Regierungschefs Bojko Borissow hinnehmen müssen. Als dazu noch eine der wichtigsten Banken in die Krise geriet, zerbrach die ohnehin schwache Minderheitskoalition der BSP mit der Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS), der Partei der türkischen Minderheit. Ministerpräsident Plamen Orescharski trat zurück, Parlamentswahlen wurden für den 5. Oktober anberaumt.

Damit nicht genug, leidet die BSP unter internen Spannungen und Spaltungen. Am empfindlichsten traf sie die Bildung der Bewegung Alternative für die Bulgarische Wiedergeburt (ABW), geführt vom ehemaligen bulgarischen Staatspräsidenten Georgi Parwanow. Die ABW kandidierte mit einer eigenen Liste bei den Europawahlen, erhielt auch einige Unterstützung aus der BSP-Mitgliedschaft, scheiterte jedoch relativ knapp an der Fünfprozenthürde. Zweifellos hat die Abspaltung der ABW den Führungswechsel in der BSP befördert. Rechte Analytiker glauben, Mikows Wahl zum Parteichef werde am Zustand der BSP wenig ändern. Sympathisanten der Sozialisten dagegen hoffen, dass es der Partei unter neuer Führung gelingt, eine Spaltung zu verhindern.

Der 54-jährige Michail Mikow, bisher viermal in die Nationalversammlung gewählt, saß dem Parlament zuletzt - von Mai 2013 bis Juli 2014 - als Präsident vor. Der studierte Jurist war 2008-09 Innenminister in der Regierung Sergej Stanischews. Seine politische Vision wurde in einigen Reden und Interviews der jüngsten Vergangenheit deutlich. Seine Rede vor dem BSP-Kongress eröffnete er mit dem Eingeständnis, dass sich die Partei in einer schweren Krise befinde, einer »Krise in den gegenseitigen Beziehungen, einer Krise des Vertrauens und der Unaufrichtigkeit«. Überdies stellte er eine »akute Gerechtigkeitskrise« in der Gesellschaft fest. Gerechtigkeit gelte mittlerweile in Bulgarien als verzichtbar, weniger wichtig als »Beziehungen«. Trotz dieser umfassenden Krise sei die BSP die »wahre, authentische Linkspartei Bulgariens geblieben«, erklärte Mikow.

Während die ABW die Abkehr der BSP von den »sozialistischen Werten« beklagt, versicherte deren neuer Parteichef, dass er sich für die Einheit der Partei einsetzen werde. Die bevorstehenden Wahlen seien eine Schlacht auf dem Weg zur Durchsetzung der Ideen und Werte, die in den Parteidokumenten festgeschrieben sind, »und die wir bisweilen vergessen haben«, wie Mikow einräumte. In den vergangenen 25 Jahren sei in Bulgarien neoliberales Gedankengut propagiert und gefördert worden, »selbst unter Menschen, die unter dieser Politik direkt leiden«. Die Gesellschaft kranke an Ungleichheit und Armut, der Mangel an wirtschaftlicher und sozialer Gerechtigkeit sei akut, linke Politik daher zum moralischen Imperativ geworden. Fortan werde man sozialistische Werte - Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit - stärker betonen. Ziel der Partei müsse es sein, ihren Platz als politische Hauptkraft in Bulgarien zu behaupten und eine eindeutig linke Politik zu betreiben.

Weniger konkret war Mikow allerdings bezüglich der Mittel und Wege zur besseren Vertretung der Wählerinteressen. Dazu bedürfte es einer wirtschaftlich-sozialen Plattform zur praktischen Durchsetzung linker Ideen dienen. Ohne eine solche Verpflichtung wird das Schiff der Sozialisten ohne Anker im jeweils vorherrschenden Wind schlingern.

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