Neudeck: EU-Flüchtlingspolitik ist katastrophal

»Cap Anamur« wird 35: Festveranstaltung in Hamburg / Lob für italienische Marine wegen Rettung von Flüchtlingen aus Seenot / Müntefering: Geduldete Flüchtlinge sollen bleiben dürfen

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. »Cap Anamur«-Mitbegründer Rupert Neudeck hat die EU-Flüchtlingspolitik als »katastrophal« kritisiert und zugleich Italiens Marine für ihr Engagement gelobt. Die Länder in Nord- und Mitteleuropa müssten mehr Flüchtlinge aufnehmen, um Mittelmeerstaaten wie Italien, Spanien oder Malta zu entlasten, sagte der 75-Jährige am Samstag bei einer Jubiläumsveranstaltung seiner Organisation in Hamburg. Neudeck hob die humanitäre Leistung des italienischen Küstenschutzes hervor: »Die italienische Marine hat 73.000 Flüchtlinge aus Seenot gerettet. Statt über Italien zu schimpfen würde ich der italienischen Marine für ihre Operation Mare Nostrum den Friedensnobelpreis verleihen.«

Bei der Veranstaltung mit den ehemaligen Bundesvorsitzenden von SPD und FDP, Franz Müntefering und Philipp Rösler, feierte die Hilfsinitiative ihr 35-jähriges Bestehen. »Sie haben Menschen gerettet, die sonst umgekommen wären«, sagte Müntefering. »Sie haben ihnen eine Chance gegeben, sie mitgenommen in unser Land.« Vor fünf Jahren hatte der damalige SPD-Vorsitzende einen Gedenkstein, mit dem die früheren »Boatpeople«-Flüchtlinge die Initiative würdigten, an den Hamburger Landungsbrücken enthüllt.

Mit Blick auf die nach Deutschland gekommenen »Boatpeople« aus Vietnam sagte der SPD-Politiker: »Sie waren Menschen, die in Not und Elend hergekommen sind, aber die mitgeholfen haben, dieses Land aufzubauen und weiterzuentwickeln und heute dazugehören.« Zudem mahnte Müntefering, dass geduldete Flüchtlinge nicht einfach »beiseite geschält werden« dürften. »Wir sollten mal den Mut haben zu sagen: Wer nach vier oder fünf Jahren Duldung nicht in sein Heimatland zurück kann, der sollte und muss die Chance haben, bei uns in Deutschland zu sein. Er darf nicht ewig aussortiert sein.«

Mehr als 1.000 Unterstützer und einstige Passagiere des Flüchtlingsschiffs »Cap Anamur« waren nach Hamburg gekommen. In einer Schweigeminute wurde der auf der Flucht ums Leben Gekommenen gedacht. Rösler, der im Baby-Alter von einem deutschen Ehepaar als Flüchtlingskind adoptiert worden war, wertete es als »große Geste der Menschlichkeit, die «Cap Anamur» auf den Weg zu schicken«.

Die »Cap Anamur«, das namensgebende Frachterschiff, war am 9. August 1979 im japanischen Kobe ausgelaufen. Etwa zweieinhalb Monate später fischte die Crew die ersten Menschen von »Nussschalen« aus dem Meer - es waren die ersten 170 von rund 11 000 vietnamesischen Flüchtlingen, die die Mannschaft zwischen 1979 und 1986 aus dem Südchinesischen Meer barg. Inzwischen agiert die Rettungsinitiative weltweit: In 59 Ländern waren die Teams mit mehr als 1000 Mitarbeitern bislang im Einsatz - aktuell in Krisenregionen des Nahen Ostens, in Nordkorea oder Zentral- und Westafrika. dpa/nd

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