Freies Geleit
Klaus Joachim Herrmann über russische humanitäre Hilfe
Die beste Lösung für den russischen Konvoi wäre dessen schnellstmögliche Abfertigung an der ukrainischen Grenze und freies Geleit in das Kampfgebiet Donbass. Dann wäre er an diesem Donnerstag in Lugansk, wo 250 000 Menschen seit fast zwei Wochen ohne Wasser und Strom sind. Zum demonstrativen russischen guten Willen käme der ukrainische. Denn das sollte Konsens sein: Wer Hilfe zum Überleben benötigt, dem wird sie nicht verweigert. Schon gar nicht, wenn sie unmittelbar bereitsteht.
Kiew würde auch selbst ein Problem los. Jede Stunde, die die Güter aufgehalten werden, bedürfte überzeugender Begründungen. Dabei dürfte die ukrainische Spitze trotz allen Erfindungsreichtums immer üblere Figur machen. Sie nährte vielleicht selbst bei Anhängern den Verdacht, Krieg nicht gegen »Terroristen«, sondern gegen das eigene Volk zu führen. Spender für die »Anti-Terror-Operation« erhalten Steuerbefreiung, die zivilen Opfer statt Trinkwasser, Lebensmitteln und Medikamenten dumme Ausreden. Die angeblich so gefürchteten Waffen kämen sowieso viel unauffälliger über die lange grüne, weitestgehend unbefestigte russisch-ukrainische Grenze.
Natürlich macht der Kreml propagandistische Punkte. Er hat sein Vorgehen klug kalkuliert und die Kritiker in Zugzwang gebracht. Moskau zeigt, dass ihm die prorussische Bevölkerung der Ostukraine wohl keine militärische Intervention, aber selbst gegen erbitterten Widerstand humanitäre Unterstützung wert ist. Die hat es national und international endlich als Thema gesetzt.
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