Doppelte Krise für Hellas

Noch mehr Leiden für Griechenlands Bauern

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 3 Min.

400 Millionen Euro hat die EU als Ausgleich für die durch das russische Embargo verursachten Verdienstausfälle ihren Bauern bereit gestellt. Ein Summe, die nach Ansicht des griechischen Staatssekretärs im Außenministerium Dimitris Kourkoulas bei weitem nicht ausreicht. Er forderte am Montagmorgen im Fernsehen, aus anderen europäischen Töpfen weitere Mittel für die Entschädigung der Landwirte abzuziehen.

Unmittelbar betroffen ist Griechenland derzeit durch den Ausfall der Exporte von Pfirsichen. Etwa 50 Prozent der Ernte waren in den vergangenen Jahren nach Russland geliefert worden. Als das Embargo in Kraft trat, waren Tausende Tonnen in Kühllastern bereits unterwegs zur russischen Grenze. Alle mussten umkehren.

Die vorwiegend aus Nordgriechenland stammenden Pfirsichbauern haben bislang noch keinen Cent Entschädigung gesehen, müssen sich aber zusätzlich zum entstandenen Schaden gegen eine ganze Reihe von Trittbettfahrern wehren. Die versuchen, aus der unverkäuflichen Ernte Profit zu schlagen. Den Sprechern der diversen linken und rechten Oppositionsparteien im griechischen Parlament geht es dabei vor allem um politischen Nutzen. Sie schlugen populistisch vor, die Früchte landesweit an bedürftige Familien und Einrichtungen zu verteilen.

Die mehrheitlich in Genossenschaften zusammengeschlossenen kleinen und mittleren Agrarbetriebe aber können den damit verbundenen logistischen Aufwand gar nicht leisten. Großhändler dagegen versuchen, die Bauern dazu zu bringen, ihre Früchte erster Qualität zu Saft zu verarbeiten und diesen zu Schleuderpreisen von fünf Eurocent pro Liter abzugeben. Ein Preis, der sogar unter den Kosten liegt, die allein dadurch entstehen würden, die bereits auf Paletten sortierten Früchte in den Entsafter zu kippen.

Sollte das Embargo andauern, wären als nächstes die Kiwibauern betroffen, deren Früchte bereits heranreifen und spätestens im Oktober geerntet werden müssen. Ebenfalls gefährdet sind die Erdbeerbauern, denn auch ihre Ernte ist etwa zur Hälfte für den russischen Markt vorgesehen. Insgesamt wird der den griechischen Bauern entstehende Einnahmeausfall auf etwa 100 Millionen Euro geschätzt. Und auch die indirekt ebenfalls vom Embargo betroffenen griechischen Transportunternehmen haben bereits Schadenersatzansprüche angemeldet. Insbesondere weisen sie auf die Kosten erst kürzlich erworbener neuer Kühlwagen hin, die nun völlig unterausgelastet seien.

Für besonderen Unmut hat in Griechenland die Bereitschaft der Türkei gesorgt, in die durch das russische Embargo geschaffene Marktlücke zu springen. Außenminister Evangelos Venizelos warf der Türkei vor, als Kandidatin für eine EU-Mitgliedschaft deren Entscheidungen nur »à la carte« mitzutragen. Dabei vergaß er offensichtlich, dass er selbst erst wenige Tage zuvor den russischen Präsidenten darum gebeten hatte, das »traditionell russlandfreundliche« Griechenland vom Embargo auszunehmen. Ohne Erfolg, zumindest was die Einfuhr von Früchten, Gemüse, Fleisch und Milchprodukten angeht. Lediglich griechisches Olivenöl darf weiterhin nach Russland exportiert werden.

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