Vom Osten in den Westen in den Osten

Gedenktafel für Roland M. Schernikau in Hellersdorf

  • Diego Castro
  • Lesedauer: 2 Min.

Ronald M. Schernikau galt als eine schillernde Figur im Literaturbetrieb der 1980er Jahre. Der Schriftsteller mit der außergewöhnlichen deutsch-deutschen Biografie wird jetzt mit einer Gedenktafel an seinem letzten Wohnort in der Cecilienstraße 241 in Berlin-Hellersdorf geehrt, die am 5. September um 10.30 Uhr eingeweiht wird.

Roland M. Schernikau wurde 1960 in Magdeburg geboren. Mit seiner Mutter Irene Binz war er 1966 im Kofferraum eines Diplomatenautos zum inzwischen verheirateten Vater in die BRD geflüchtet. Ihren Sohn zog sie allein auf, trotz Flucht nach kommunistischen Grundsätzen. 1976 trat er in die DKP ein und träumte fortan von einem Leben in der DDR. Ein Fantasma, das keines bleiben sollte.

Als Schernikau mit der »Kleinstadtnovelle« sein Erstlingswerk veröffentlichte, war das Wunderkind geboren. Gerade mal neunzehn Jahre alt, hatte er eine erfrischende Abrechnung mit seiner Schulzeit im niedersächsischen Lehrte und nebenbei eine der ersten deutschen Erzählungen zum Thema Coming-Out geschrieben. Die erste Auflage im Rotbuch Verlag war sofort vergriffen.

Fortan saß der junge Autor wortgewandt und vorlaut in Talkshows. Als selbstbewusster Schwuler irritierte er den Literaturbetrieb ebenso wie eine verklemmte Westberliner Linke. Mit seinem gleichzeitigen Bekenntnis zu Kommunismus und offenem Schwulsein schwamm er gegen den Strom.

1986 wechselte Schernikau von der Freien Universität an das Leipziger Institut für Literatur. Die Zulassung zum Studium: ein Kampf gegen Papiertiger. Mit Peter Hacks, seinerseits Übersiedler, verband ihn eine Freundschaft, die sich in einem 1992 erschienenen Briefwechsel manifestierte. Im September 1989 sollte er als letzter Westdeutscher in die DDR eingebürgert werden. Der folgende Zusammenbruch war doppelt: Das vorläufige Ende des kommunistischen Projekts und die endgültige Diagnose Aids.

Als Schernikau im Oktober 1991 an den Folgen der Erkrankung starb, hatte er gerade noch den komplexen Montage-Roman »Legende« fertiggestellt. Der jung Verstorbene hinterließ ein beachtliches Werk. Mit der Gedenktafel erinnert der Bezirk an einen seiner prominentesten Bewohner.

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