Griechenland hadert mit Rassismusverbot

Rechte Parteien und orthodoxe Kirche lehnen Gesetzentwurf ab / SYRIZA fürchtet Anreize für Nationalisten

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Leugnung des Holocausts wird auch in Griechenland strafbar sein. Jedenfalls wenn das derzeit im Parlament diskutierte Antirassismusgesetz Ende dieser Woche abgestimmt wird.

Bereits 2008 war Griechenland von der Europäischen Union aufgefordert worden, seine Gesetzgebung hinsichtlich Gewalttaten gegen »Gruppen oder Mitglieder von Gruppen aufgrund ihrer Rasse, Hautfarbe, Religion, sexuellen Orientierung, Herkunft oder der nationalen Zugehörigkeit« sowie die Leugnung international anerkannter Völkermorde anzupassen. Jeder bisherige Versuch der Verabschiedung eines Gesetzes, das rassistische Motive bei Gewalttaten oder den Aufruf zu solchen unter Strafe stellt, war bisher jedoch am heftigen Widerstand aus den Reihen der Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) selbst sowie am Einfluss der mächtigen griechisch-orthodoxen Kirche gescheitert. Zuletzt musste der damalige Justizminister der Regierungskoalition aus ND, sozialdemokratischer PASOK und Demokratischer Linke, Antonis Roupaktiotis, im Mai vergangenen Jahres seinen eigenen Entwurf zurückziehen.

Auch der unter der Federführung von Justizminister Haralambos Athanasiou entstandene aktuelle Entwurf wird von der Kirche und von Politikern unterschiedlichster Couleur teils scharf kritisiert. Hochrangige christliche Fundamentalisten sprechen sich insbesondere gegen den im Gesetz vorgesehenen Schutz von Homosexuellen aus. So bezeichnete der Metropolit Ieremias das Gesetz als »brutale Diktatur«, mit dem man verbieten wolle, die Dinge als die zu bezeichnen, die sie seien.

Die Heilige Synode dagegen ließ öffentlich verlauten, man respektiere das Anderssein. Gemeinsam mit einer ganzen Reihe, durchweg dem rechten Spektrum angehörender Politiker forderte die höchste Instanz der Griechisch-Orthodoxen Kirche jedoch, nicht nur die Leugnung des Holocausts, sondern auch die Verleugnung von Massenmorden an den griechischen Ponten und ehemals in der Türkei lebenden Griechen unter Strafe zu stellen.

In dem am Dienstag dem Parlament vorgelegten Entwurf wurde ein entsprechender Passus noch in letzter Minute eingearbeitet. Weil dieser jedoch nur allgemein von der Strafbarkeit der Leugnung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit spricht, soweit diese von internationalen Gerichten oder dem griechischen Parlament anerkannt worden seien, kündigte die rechte Oppositionspartei Unabhängige Griechen in der Debatte bereits an, man werde dagegen stimmen.

Von linker Seite wird das Gesetz dagegen als zahnloser Tiger kritisiert. Die Linkspartei SYRIZA bemängelte insbesondere, dass im Gesetz kein Schutz für die Opfer rassistischer Gewalt vorgesehen ist. Außerdem befürchtet man bei der größten Oppositionspartei im Parlament, dass die Strafbarkeit der Leugnung von Völkermorden ausgerechnet Nationalisten und Rassisten Anreiz bieten wird, Andersdenkende mit Klagen wegen ihrer Sichtweise auf die – auch in Griechenland umstrittenen – Gräueltaten während der sogenannten Kleinasiatischen Katastrophe, also dem von Griechenland begonnenen Krieg mit der Türkei Anfang des 20. Jahrhunderts, zu überziehen. In dasselbe Horn stoßen auch mehr als 100 griechische Intellektuelle, die sich generell gegen eine »Verfolgung von Ansichten« aussprechen.

Die Adressaten des Gesetzentwurfes versuchten, diesen in der Debatte lächerlich zu machen. Der Abgeordnete der griechischen neofaschistischen Goldenen Morgendämmerung (Chrysi Avgi), Dimitris Koukoutsis, schlug vor, stattdessen ein Gesetz zum Schutz der Griechen vor der »Ausländerkriminalität« einzubringen. Die Partei der bekennenden Holocaustleugner und viertstärkste Kraft im Parlament wird von der Justiz bereits unter dem Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung verfolgt. Mehrere ihrer 16 Abgeordneten, darunter Parteichef Nikolaos Michaloliakos, sitzen in Untersuchungshaft. Gegen fast 100 Mitglieder und Anhänger der Partei wird voraussichtlich Ende des Jahres ein Verfahren eröffnet werden. Den Angeklagten werden unter anderem zahlreiche, teils tödlich endende Angriffe auf Migranten, Homosexuelle und Linke zur Last gelegt.

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