Ein Ideal wird missbraucht

Die großen Bosse hinter den Athleten nutzen den Begriff »Fair Play«, um sich noch mehr zu bereichern

  • Oliver Händler
  • Lesedauer: 4 Min.
Fotoverbot für Golffans und Freiheit für Investoren. Der Begriff des Fair Play muss dieser Tage für allerlei herhalten.

Seit vor ziemlich genau 120 Jahren ein elitärer Klub in Paris die Olympischen Spiele der Neuzeit ins Leben rief, ist Fair Play das Mantra des Sports. Das Einhaltung von Regeln war jenen Männern wichtig und darüber hinaus, dass Sportler einander respektieren, die Unversehrtheit des Gegners wahren und sich keinerlei unlauteren Vorteil verschaffen. Dass diese Vorgaben nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt werden können, zeigt die Vielzahl an Fair-Play-Preisen, die oft genug an Sportler verliehen werden, die zugeben, gegen Regeln verstoßen zu haben. Diejenigen, die sich von Anfang an daran halten, bleiben unprämiert.

Der neueste Trend ist nun, den Begriff des Fair Plays für eigene wirtschaftliche Interessen zu missbrauchen. Erstes Beispiel: der Ryder Cup. Die Veranstalter des Golf-Highlights des Jahres haben ihren Zuschauern verboten, in Schottland Fotos oder Videos von den Spielern zu machen und diese dann ins Internet hochzuladen, sei es auf Youtube, Twitter, Facebook, Instagram oder irgendeinem anderen sozialen Netzwerk. Der Aufschrei darüber hält sich in Grenzen, da die Vorschriften nicht sonderlich publik gemacht werden und sich alle Golffans in den vergangenen Tagen ohnehin nur dafür interessierten, welche zwölf Spieler jeweils für die USA und Europa in Gleneagles antreten werden.

Was das alles mit Fairness zu tun hat? Eigentlich gar nichts. Das hindert die Veranstalter der Profiturniere von beiden Kontinenten, die gemeinsam den Ryder Cup ausrichten, aber nicht daran, ihre Auflagen unter anderem mit dem Gedanken ans Fair Play zu begründen. Fotos, die nur an Trainingstagen aufgenommen werden dürfen, seien lediglich für den privaten Gebrauch nutzbar. Nicht gestattet sind jegliche Formen der kommerziellen Nutzung. »Der Ryder Cup ist eins der am meisten beachteten Sportereignisse weltweit. Wir müssen sicherstellen, dass die Marke geschützt wird, die für Fair Play, Teamarbeit und Kameradschaft steht«, sagte ein Sprecher dem britischen »Telegraph«. »Das bedeutet, dass Bilder von dem Event nicht für gewerbliche Zwecke genutzt werden dürfen, die diesen Prinzipien entgegenstehen.«

Im Grunde geht es den Organisatoren schlicht ums Geld. Ironischerweise hatten Baron de Coubertin und Co. 1894 genau das mit dem Ausschluss jeglichen Profitums vom modernen Sport verhindern wollen. »Diese Verbote haben vor allem etwas mit dem Schutz der Sponsoren zu tun«, sagt die auf soziale Medien spezialisierte Professorin für Marketing und Kommunikation Sarah Pedersen von der Robert Gordon University in Aberdeen. »Wenn Menschen ständig per Handy Dinge ins Internet hochladen, hast du keine Kontrolle mehr darüber, wie dein Produkt präsentiert wird.«

Mehr als 250 000 Fans haben für Tickets an jedem der drei Wettkampftage in der letzten Septemberwoche zwischen 120 und 1500 Pfund (150 bis 1880 Euro) bezahlt. Der Ryder Cup ist zudem das einzige Turnier auf beiden Profitouren, bei dem die Spieler weder Antritts- noch Preisgeld erhalten. Es geht nur um den Sieg und die Ehre. Die Veranstalter machen also einen großen Reibach mit Eintrittskarten, Sponsorverträgen und dem Verkauf von TV-Rechten. Das Foto- und Videoverbot soll vor allem die Exklusivität der Fernsehsender schützen.

»Das Klicken von Fotoapparaten und die Blitzlichter lenken die Spieler ab, die unter hohem Druck stehen. Es ist nicht fair, den sportlichen Wettbewerb so zu beeinträchtigen«, wehren sich die Organisatoren. Sie haben jedoch kein Verbot von Fotogeräuschen und Blitzlicht ausgesprochen, sondern das Fotografieren gleich ganz verboten. Dabei verfügt jedes Smartphone über die Möglichkeit, derlei Töne und das Blitzlicht zu deaktivieren. Letztlich soll kein anderer am Produkt verdienen, auch wenn Fans, die ein Foto auf Facebook mit Freunden teilen, nicht einen Cent dafür bekommen. Das tut Facebook, doch dessen Gründer Mark Zuckerberg muss sein Handy sicher nicht abgeben.

Manchem Golfer sind Geräusche beim Abschlag übrigens sehr willkommen. Beim Ryder Cup 2012 forderten Bubba Watson (USA) und der Engländer Ian Poulter die Fans auf, während ihres ersten Schlags sogar besonders laut zu schreien. Beide sind fleißige Nutzer von Twitter und Co. und laden regelmäßig Bilder vom Platz ins Netz. Sie dürfen ihre Handys wohl trotzdem behalten.

Der zweite aktuelle Missbrauchsfall des Fair-Play-Begriffs wirkt noch grotesker. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP bezeichnete der Klubpräsident des französischen Fußballmeisters Paris St. Germain, Nasser Al Khelaifi, ausgerechnet das Projekt »Financial Fair Play« von Europas Dachverband UEFA als »unfair«. Dabei untersucht der Verband regelmäßig Einnahmen und Ausgaben aller Vereine und bestraft jene, die mehr ausgeben als einnehmen: unlauterer Wettbewerb soll verhindert werden.

Paris wurde bereits bestraft, da der Scheich gern herausragende Spieler wie Zlatan Ibrahimovic kauft und ihnen horrende Gehälter aus eigener Tasche zahlt. Da kann die Konkurrenz nicht mithalten. Al Khelaifi sagt, die Vorgaben würden »den Einstieg neuer Investoren verhindern«. Die würden sich dann andere Sportarten suchen, das sei »nicht gut« - also unfair? - »für den Fußball«. Fragt sich nur, warum sich der Katarer nicht selbst ein neues Hobby (Investment) sucht. Mit Fairness hat das jedenfalls nichts zu tun, aber er bekommt mehr Gehör, wenn er sich darauf beruft.

Ein Gutes hat all dies. Das anachronistische Foto- und Videoverbot beim Ryder Cup wird nicht durchsetzbar sein, und der Scheich steht mit seiner Einschätzung recht alleine da.

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