Pleite mit vier Sternen

Die DFB-Elf verliert die Neuauflage des WM-Finals gegen Argentinien mit 2:4

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Am heutigen Freitag wechselt die DFB-Elf ihr Quartier und versucht, vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen Schottland trotz des 2:4 gegen Argentinien keine schlechte Stimmung aufkommen zu lassen.

Düsseldorf. Dieser Freitag ist Reisetag für den Weltmeistertross. Genau genommen steht im Ablaufplan für die deutsche Nationalmannschaft dies: Transfer zur Sportschule Kaiserau. Das klingt fast wie Kaserne, stimmt aber nach der Generalrenovierung dieser von Sportlern aus aller Welt genutzten Unterbringungsstätte längst nicht mehr. Dennoch: Der Umzug aus dem Designerhotel in Düsseldorf in das Luftlinie 83 Kilometer entfernte Sporthotel in Kamen besitzt durchaus einen symbolischen Wert. Ein bisschen weniger Luxus und Komfort, dafür mehr Bodenständigkeit und Zweckmäßigkeit. Nicht die schlechteste Botschaft bei einem Ortswechsel, den ein Stimmungsumschwung zu begleiten droht.

Dem WM-Rausch folgte schlagartig der Kater - noch bevor in der Nacht in feierlichem Rahmen Medaillen und Geschenke inklusive Weltmeister-Autogrammkarten ausgetauscht wurden. Ein 0:4-Rückstand nach 50 Minuten gegen den Finalgegner, ein 2:4-Schlussergebnis ergeben eben einen »Fehlstart mit vier Sternen«, wie das Fachmagazin »Kicker« titelte. Interimskapitän Manuel Neuer sprach gleich von einem »Wachrüttler«. Nicht aber der Bundestrainer. »Von der Organisation und von der Spielanlage war das absolut in Ordnung«, insistierte Joachim Löw und reklamierte für den Mittwoch den Testcharakter »in Richtung Sonntag«, für die erste EM-Qualifikationspartie gegen unbequeme Schotten in Dortmund: »Dort werden wir ein anderes Spiel bestreiten.«

Bezugnehmend auf diese Pflichtaufgabe argumentierte der Bundestrainer: »Ich mache mir keine Sorgen.« Doch der 54-Jährige gab sich einem Widerspruch hin, wenn er einerseits »die hochtalentierten Spieler« lobte, andererseits im selben Atemzug bemängelte, dass »die Stammkräfte nicht zu ersetzen« seien. Speziell die in der Viererkette verloren wirkenden Erik Durm, Kevin Großkreutz oder Matthias Ginter, allesamt bei Borussia Dortmund zwar geschätzt, aber in der DFB-Auswahl bei der Brasilien-Mission nicht benötigt, zahlten zu viel Lehrgeld.

Die kurzfristigen Alternativen sind allerdings überschaubar, denn besser wird die Personallage nicht. Im Gegenteil: Bei Mesut Özil ist der Ausfall wegen seiner Knöchelprobleme definitiv, bei Mats Hummels sieht es laut Löw wegen muskulärer Probleme »nicht gut aus«, dasselbe gilt für den mit einer Oberschenkelzerrung ausgeschiedenen Julian Draxler. Für den Cheftrainer sind Nachnominierungen nun unausweichlich.

Am meisten ärgerten Löw aber die unüberhörbaren Unmutsbekundungen gegen Mario Gomez. Pfiffe. Die gellenden Pfiffe bei dessen missglückten Torschüssen (Gomez: »Ich habe diese zwei großen Chancen und habe das Tor nicht gemacht: Es ist so im Fußball.«) hatten aus dem Genießer aus Schönau einen Grantler werden lassen. »Grundsätzlich geht es einfach nicht, dass ein Spieler ausgepfiffen wird, nur weil er Chancen liegenlässt«, lästerte Löw, »er hat sieben Monate verletzt gefehlt und ein einziges Pflichtspiel bestritten.« Der Wahl-Italiener werde brauchen, »um in guter Form zu sein - es wäre ja verrückt, wenn es nicht so wäre.«

Allein aus Gründen des Selbstschutzes wird Löw den 29-Jährigen vermutlich gegen Schottland nicht in die Startelf stellen; gut möglich, dass sich im westfälischen Stimmungstempel der verlorene Sohn Mario Götze dort beweisen darf. Dem Finalheld gelang es schließlich, nach seiner Einwechslung gegen die abgebrühten Argentinier wieder einen Treffer anzubringen - mit dem Unterschied, dass es vor siebeneinhalb Wochen die Entscheidung, diesmal lediglich Ergebniskosmetik brachte.

Gleichwohl: Jeder Quervergleich aus Rio de Janeiro und Düsseldorf sei nicht zulässig, so hatten es die Nationaltrainer beschlossen. Der Argentinier Gerardo Martino trug zwar ein Lächeln auf den Lippen, weil sich sein Ensemble so geschlossen präsentiere, als wollte es unbedingt die Unabhängigkeit von Überfigur Lionel Messi beweisen, auf die Frage, ob Genugtuung mitschwang, schüttele »El Tata« jedoch den Kopf: »Wir würden das Ergebnis gerne umtauschen - gegen den Pokal.«

Und dann leitete der 51-Jährige auf die ab sofort unbeantwortete These über: Wäre das zähe Ringen im Maracanã womöglich anders ausgegangen, wenn ein gesunder Angel di Maria hätte mitwirken können? »Sein Fehlen war schwierig«, sagte Martino salomonisch. Diese Mutmaßung ließ der Kollege nicht gelten. Für seine Verhältnisse überaus trotzig legte sich Löw fest: »Wir hätten sie auch mit Angel di Maria geschlagen - er hätte gegen uns nichts ausrichten könne.« Dann setzte er gewinnbringendes Lächeln auf, das eines Weltmeistertrainers würdig war.

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