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Die Polizei macht weiter dicht

Weder Ärzte noch Hans-Christian Ströbele durften zu den Flüchtlingen in der Gürtelstraße

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 3 Min.
Mediziner wollten am Samstag Wasserflaschen auf das Dach des Hostels in Berlin-Friedrichshain zu den Flüchtlingen bringen. Doch die Polizei ließ weiterhin niemanden durch.

In weißen Kitteln gekleidete Personen saßen am Samstagnachmittag vor der Polizeiabsperrung in der Gürtelstraße in Friedrichshain und musizierten mit klassischen Instrumenten. Demonstranten lauschten gespannt und applaudierten, als die musikalische Darbietung vorbei war. Insgesamt waren es etwa 60 Leute, die sich Zugang zum ursprünglichen Ort der Protestaktion hinter der Eisenbahnbrücke verschafften, an dem die Polizei bereits vergangenen Freitag Versammlungen verboten hatte. So waren vor dem Hostel, auf dessen Dach weiterhin Flüchtlinge ausharren, diesmal nicht nur kämpferische Parolen zu hören. Allerdings waren die Menschen in den weißen Kitteln keine Berufsmusiker, sondern Mediziner. Es waren Vertreter des Arbeitskreises »Gesundheit und Menschenrechte Berlin« und der Organisation »Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges« (IPPNW), die sich hier zusammenfanden. Sie hatten sich passend gekleidet und machten nicht nur Musik, sondern brachten der Polizei auch ein Anliegen vor: Sie wollten Wasserflaschen zu den Flüchtlingen bringen, die sich seit knapp zwei Wochen auf dem Dach befinden und keinen Zugang zu Essen und Trinken haben.

»Jeder Flüchtling bekommt am Tag einen halben Liter Wasser«, sagte Jürgen Hölzinger, ein pensionierter Arzt, der sich an der Protestaktion beteiligte. Das sei viel zu wenig: »Es ist lebensbedrohlich, so wenig zu trinken. Eigentlich müsste jeder mindestens das Dreifache bekommen.« Allerdings rechnete er bereits vor der Aktion mit deren Scheitern: »Sie soll mehr als Symbolik verstanden werden.« Und so war es dann auch. Der Versuch scheiterte, die Polizisten ließen die Ärzte nicht durch. Es hieß, dass die Flüchtlinge genug zu trinken haben und dass täglich eine Polizeiärztin nach ihnen schaue. Eine Medizinerin schaffte es immerhin, in Verhandlungen mit der Polizeiärztin und einem weiteren Polizeivertreter zu treten - allerdings ohne Erfolg.

Nicht nur den Medizinern wurde der Zugang zum Hostel verwehrt, auch Hans-Christian Ströbele durfte nicht hinein. Den Grünenpolitiker hatte am Samstag niemand erwartet. Er wurde sofort hinter die Absperrung gelassen und verhandelte dann einige Minuten mit der Polizei. Allerdings mit dem gleichen Ergebnis. »Die SPD ist der größere der Koalitionspartner. Sie muss nun endlich die Vereinbarungen, die ausgehandelt wurden, umsetzen«, so Ströbele.

Und so standen die melancholischen, fast traurigen Klänge auch - ob gewollt oder nicht - für zwei gescheiterte Versuche, zu den Flüchtlingen zu gelangen. Die Mediziner wollten als Konsequenz aus der gescheiterten Aktion Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung erstatten.

Nur etwa 800 Meter von den Ereignissen in der Gürtelstraße entfernt lud die CDU Lichtenberg-Mitte am Samstag zum Bürgerfest mit Tanz und Musik auf den Hof des Theaters an der Parkaue. Unter die Gäste mischten sich auch rund 40 Flüchtlinge und Unterstützer. Denn neben dem Lichtenberger Bundestagsabgeordneten Martin Pätzold hatte sich gegen 13 Uhr auch Berlins Innensenator Frank Henkel für eine Stippvisite angekündigt. Mit Sprechchören und Plakaten forderten die Aktivisten eine Stellungnahme Henkels zur aktuellen Lage in der benachbarten Gürtelstraße. Der aber verschwand laut Unterstützern nichtssagend durch das Theatergebäude.

Während Henkel gegenüber den Protestierenden kein Wort verlor, äußerte er sich jedoch auf einer Innenministerkonferenz der CDU-regierten Länder in Weimar zum Flüchtlingsthema. »Einige wenige Personen versuchen seit Monaten, sich in Berlin eine Vorzugsbehandlung zu erpressen, obwohl sie in anderen Bundesländern versorgt werden. Dies darf nicht dazu führen, dass das Schicksal derjenigen in den Hintergrund rückt, die hier erstmals Schutz suchen«, so Henkel nach der Konferenz am Freitag.

In der Nacht zum Sonntag musste dann ein an Tuberkulose erkrankter Flüchtling das Dach des Hostels verlassen. Der Mann sei zuvor von einem Arzt der Polizei untersucht worden, sagte eine Polizeisprecherin am Sonntag. Er war daraufhin ins Krankenhaus gebracht worden.

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