Echos der Weltpolitik

Wie sich der Ukraine-Konflikt in der bayerischen Landeshauptstadt widerspiegelt

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 4 Min.
München hat nicht nur eine große ukrainische Gemeinde, sondern auch eine lange Geschichte der ukrainischen Emigration. Doch der Frontverlauf im Ukraine-Konflikt ist auch in München kompliziert.

»Gerade in schwierigen Zeiten werden Partnerschaften auf die Probe gestellt«, sagt Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter ins Mikrophon. Er steht auf dem Münchner Viktualienmarkt, um ihn herum eine Traube Menschen, manche mit gelbblauen Fähnchen, den Nationalfarben der Ukraine. Am Stand hinter ihm gibt es Borschtsch aus dem Kessel, Kiewer Kotelett oder Speck-Knoblauch-Brote.

Dann überbringt der ukrainische Generalkonsul Vadym Kostiuk die Grüße von Kiews neuem Oberbürgermeister Vladimir Klitschko, der nicht gekommen ist, weil er in diesen Zeiten seine Stadt nicht verlassen will. Diese Zeiten seien »schwer für die Ukraine und Kiew« sagt OB Reiter dann noch, anschließend wird der ukrainische Stand mit seinen Spezialitäten offiziell eröffnet. Er ist Teil des 25-jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft zwischen München und Kiew und soll bis zum 12. Oktober auf den Viktualienmarkt bleiben.

Im Vorfeld der Eröffnung gab es Berichte über massive Polizeipräsens auf dem Viktualienmarkt, das ukrainische Standl sei ein »sensibles Thema« für die Sicherheitskräfte, hieß es aus dem Polizeipräsidium. Doch am offiziellen Eröffnungstag waren nur zwei uniformierte Polizeibeamte sichtbar, der Rest kam wohl incognito. Jedenfalls ist der Konflikt in der Ukraine auch in der bayerischen Landeshauptstadt präsent, sowohl das ukrainische Generalkonsulat in der Lessingstraße wie auch russische Einrichtungen werden von der Polizei überwacht.

München hat nicht nur eine große ukrainische Gemeinde, sondern auch eine lange Geschichte der ukrainischen Emigration. Dazu gehört zum Beispiel das Grab von Stepan Bandera am Münchner Westfriedhof. Es wurde jüngst von Unbekannten verwüstet, ein großes Kreuz wurde vom Sockel des Grabmals gerissen, Blumenvasen wurden umgeworfen.

Hinweise auf einen politischen Hintergrund gebe es zunächst nicht, so die Polizei, doch Bandera ist eine höchst politische Figur. In rechten und faschistischen Kreisen der Ukraine wird er als Unabhängigkeitsheld gefeiert, im ukrainischen Osten sieht man in ihm einen Verbrecher. Bandera gründete 1939 mit Hilfe der Deutschen die faschistische Organisation Ukrainischer Nationalisten. Der Nazi-Kollaborateur stellte die ukrainische Einheit »Nachtigall« auf, die mit der Wehrmacht 1941 in Lemberg einmarschierte, was folgte war der Massenmord an Juden. Bandera, der 1945 von der Sowjetunion als Kriegsverbrecher gesucht wurde, tauchte 1946 als Stephan Popel in München unter. 1959 starb Bandera in der Kreittmayr Straße 7 im Treppenhaus an einer Zyankalivergiftung, als Täter ermittelten die bundesdeutschen Behörden Agenten des KGB.

Auch in der Münchner Zeppelinstraße 67 macht sich der Konflikt in der Ukraine bemerkbar. Dort war Ende August eine Gedenktafel, die an den ukrainischen Exilpolitiker Jaroslaw Stetzko erinnert, beschmiert worden. Der Staatsschutz der Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen. Stetzko war ebenso wie Bandera nach dem Zweiten Weltkrieg in München als antikommunistischer Exilpolitiker tätig und leitete bis zu seinem Tod 1986 den »Antikommunistischen Block der Nationen«. In einer Publikation schrieb er 1941: »Moskau und die Juden sind die größten Feinde der Ukraine. Als Hauptfeind betrachte ich Moskau, welches die Ukraine mit Gewalt in Unfreiheit gehalten hat, nicht weniger beurteile ich die Juden als ein schädliches und feindliches Schicksal, die Moskau helfen die Ukraine zu verknechten.«

Wie kompliziert heute die Fronten durch die unterschiedlichsten ukrainischen Organisationen in Bayern laufen, das macht ein Besuch auf der Website des »Deutsch-ukrainischen Zentrums« in Regensburg deutlich. Dort schreibt der stellvertretende Vereinspräsident: »Odessa, Lugansk, Donezk, Namen, die sich fest in die Köpfe der Menschen eingebrannt haben. Sie stehen, trotz vergeblicher Mühe der westlichen Medien, für Verbrechen am eigenen Volk, das Schlimmste, was eine Regierung tun kann!«

Ungeachtet dieses regierungskritischen Statements verweist die Website aber auch auf »Freunde« wie das »Deutsche Korps der Internationalen Union kosakischer Kräfte«. Diese Kosaken haben wiederum ihre spezielle Position: »Warum muss sich die Ukraine zwischen Rußland und der EU entscheiden? Warum kann sie nicht ihren eigenen, ihren ukrainischen Weg gehen, ohne äußere Beeinflussung? Die Freiheitskämpfer der ukrainischen Geschichte haben ihr Blut und ihr Leben für die Freiheit von Volk und Vaterland gegeben. Ehren wir sie, indem wir die Freiheit der Ukraine erhalten.«

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