«Geistigkeit im Sinnlichen»

Ralph Grüneberger: Ein Band über den Leipziger Maler Gert Pötzschig

  • Sabine Neubert
  • Lesedauer: 3 Min.

Dieser Bild-Text-Band über den achtzigjährigen Leipziger Maler und Grafiker Gert Pötzschig würdigt ein erfülltes Künstlerleben und darüber hinaus eine Gestaltungskunst, wie sie heute äußerst rar geworden ist. «Alte Schule» im Vergleich zu einer neuen «Künstler»-Generation der schnellen Einfälle und noch schnelleren Ausführungen.

Für Gert Pötzschig aber gilt: Gestalten ist lebenslange Übung im Handwerklichen, Beschränkung auf das richtige Maß und Vermittlung von Schönheit und Harmonie - wenn vielleicht auch nur bescheiden und kleinformatig. Die totgesagte Bildermalerei hat sich längst wieder etabliert. Wir kennen Vorbehalte gerade auch aus der sächsischen Metropole, wo die «Neue Leipziger Schule» die alte, bis auf ein paar Ausnahmen, so gut wie unsichtbar gemacht hat, ohne die es sie gar nicht gegeben hätte.

Dieser Band zeugt vom Bemühen Gert Pötzschigs um «Anspruch und Maßstab» in vielen wunderschönen, gut reproduzierten Gemälden und Grafiken, den Letzteren ganz besonders. Man möchte sie immer wieder anschauen. Lassen wir den Begriff «schön» einfach stehen, auch wenn Michael Hametner (im Teil «Stimmen zu Gert Pötzschig») über den Maler sagt: «Der Schönheit misstraut er.» Natürlich ist nicht Verweilen im Althergebrachten oder romantische Rückschau gemeint, sondern Imagination, «Maß der Natur und des Menschen» und «Geistigkeit im Sinnlichen» (Begriffe des Malers selbst). Die Radierungen und Zeichnungen zeigen Landschaften mit kahlen Bäumen, vom Tagebau zerstörtes Gelände, alte verschattete Häuser. Der Himmel über den gemalten Stadtlandschaften ist oft düster. Es dominieren warme, herbstliche Brauntöne. Selbst die Radierungen, mehr noch die Gemälde, scheinen aber von einem inneren oder fernen Leuchten durchdrungen.

«Von Anfang an war es meine Absicht, den Bildgegenstand in seiner Ganzheitlichkeit, Proportion, Stofflichkeit und Plastizität zu erfassen», sagt Gert Pötzschig in seiner Selbstdarstellung mit dem Titel «Anspruch und Maßstab». Ob der gebürtige Leipziger, Absolvent der Hochschule für Grafik und Buchkunst und damit hervorragend ausgebildet, das von Anfang an so hätte formulieren können, ist nebensächlich. Jedenfalls entsprechen schon die frühen Bilder diesem Anspruch, der sich nicht wesentlich verändert zu haben scheint. Dass es ideologische und politische Schwierigkeiten gab, ist nichts Einmaliges. Der Maler ging seinen Weg unbeirrt hin zum freischaffenden Künstler - mit entsprechenden Vorzügen und Ärgernissen. Die Nachwendezeit ermöglichte die Sehnsuchtsreisen aller Maler nach Frankreich und Italien, teilweise wurden die Bilder dadurch südlich-farbiger, abstrakter und reduzierter. Aber sie blieben Gebrauchsmalerei mit hohem Anspruch.

Ralph Grüneberger ist dieser Sammelband zu verdanken. Er enthält neben zahlreichen Abbildungen Auskünfte des Malers und «Stimmen, das heißt Auszüge aus Laudationen. Einen Großteil des Buches nimmt eine ausführliche Darstellung des Malers durch Grüneberger ein, die Zeitumstände berücksichtigt, aber auch unnötige Ausflüge zu allgemein Bekanntem macht.

»Die Faszination einer Landschaft wird durch die Zeichnung als spontane Niederschrift festgehalten«, sagt Pötzschig. Immer mit dem Zeichenstift unterwegs, gestaltet er danach im Atelier auf dieser Grundlage seine Gemälde, oft in einem langen Schaffensprozess. Das ist gute »Alte Schule«, in Nachfolge der »alten« Meister von Max Liebermann bis Max Schwimmer.

Ralph Grüneberger: Gert Pötzschig: Den Blick zu haben. Eine Monographie. Edition Cornelius im Projekte-Verlag. Ausgewählt und herausgegeben von Manfred Jendryschik und Reinhardt 0. Cornelius-Hahn. 185 S., geb., zahlr. Abb., 29,50 €.

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