»Sie sind zweifellos ...

Kathrin Gerlof über das Wahlergebnis der Brandenburger LINKEN und die Kunst, mit einem Arschtritt Schwung zu holen

  • Kathrin Gerlof
  • Lesedauer: 3 Min.

... der schlechteste Pirat, von dem ich jemals gehört habe.« Auf diese Bemerkung eines wirklich fiesen Fieslings im ersten Teil von »Fluch der Karibik« antwortet Jack Sparrow alias Johnny Depp: »Aber! Sie haben von mir gehört.«

Was das mit den Brandenburger LINKEN zu tun hat? Nur die Fähigkeit, sich die Dinge schön zu reden. »Komplikationen entstanden, dauerten an und wurden überwunden.« (Jack Sparrow) Angekündigt ist, dass die SPD in diesen Tagen ihre Entscheidung verkündet, mit wem sie Koalitionsverhandlungen aufnehmen möchte. Aber bereits kurz nachdem bekannt war, dass die LINKE 8,6 Prozent eingebüßt hat, obwohl oder weil sie fünf Jahre in einer rot-roten Koalition mitregiert hatte (in Berlin waren es nach rot-roten Jahren minus 9,2 und in Mecklenburg-Vorpommern minus 8 Prozent), war die Welt schon wieder ziemlich in Ordnung. Jack Sparrow hätte seine Freude daran gehabt, denn er weiß die Fähigkeit, mit einem Arschtritt Schwung holen zu können, sehr zu schätzen. Selbstzweifel ist etwas für Weicheier. Und schuld sind sowieso immer die anderen.

Zum Beispiel die Wechselwähler, die man im Gegensatz zu Wechselwäsche nie in der Tasche hat. 19 000 sind von der Brandenburger LINKEN zur AfD abgewandert und 113 000 haben sie nicht nur nicht gewählt, sie sind gar nicht mehr zur Wahl gegangen. »Das ist ein solides Ergebnis.« (LINKE- Spitzenkandidat Christian Görke, nicht Jack Sparrow).

Gut, das ist jetzt gemein, Görke meinte natürlich die erreichten 18,6 Prozent und ergänzte auch gleich, dies sei kein Traumergebnis. So etwas nennt man einen Euphemismus. Denn Görke schob hinterher, das Ergebnis sei auch nicht so schlecht, dass irgendjemand irgendeine Verantwortung übernehmen müsse. Da lag es in der Logik der Sache, noch vor der Auswertung der Wahl die alte Fraktionsvorsitzende zur neuen Fraktionsvorsitzenden zu küren. »Gentleman, wir übernehmen das Schiff.« (Jack Sparrow)

Das Nicht-Traumergebnis lag nicht an der linken Regierungspartei, sondern daran, dass die Wählerinnen und Wähler nicht gesehen und anerkannt haben, was die LINKE in Brandenburg in den vergangenen Jahren alles für sie geleistet hat. »Hört auf, Löcher in mein Schiff zu ballern.« (Jack Sparrow) Heißt, neben dem Wechselwähler gibt es noch einen weiteren Schuldigen: den Bürger an sich, der nicht genau hinschauen mochte, was die LINKE in dieser rot-roten Regierung alles für all die Menschen im Land des roten Adlers, der niemals nie weiß sein wird, getan hat.

Nun muss man an dieser Stelle sagen, dass es auch verheerende Folgen hätte, fragte sich irgendjemand in der Brandenburgischen Linksfraktion, ob der Bürger an sich vielleicht doch hingeschaut hat und in Folge dessen zu dem Schluss gekommen ist, dass er zu Hause bleibt oder wen anders wählt. War da nicht irgendwas mit der Braunkohle? »Ich dulde keine Kritik und keine Fragen!« (Jack Sparrow)

Es kommt - das weiß die Kolumnistin zu schätzen - einer Selbstkritik schon fast ganz nahe, wenn der LINKE-Minister Markov anmerkt, dass die SPD-Wähler mit Rot-Rot offenbar zufriedener waren als die eigenen Wähler. Das ist ein guter Anfang. Allerdings besteht die Gefahr, dass auch hier von der Dummheit, Unwissenheit oder Lahmarschigkeit des Wählers, nicht aber von eigenen Fehlern ausgegangen wird. Und es ist auch fürchterlich ärgerlich, wenn die Zufriedenheit mit der Landesregierung kurz vor der Wahl auf Höchstniveau steigt, das aber nur der SPD zugutekommt. Da tut und macht man und dann so was. Aber niemand lässt sich kleinkriegen. Versprochen ist, bis zur nächsten Wahl wieder zweitstärkste Kraft im Lande zu werden. Und zwar durch ein entschiedenes, mutiges, lautes und - ja - ein wenig trotziges »Weiter so!«

»Also ich finde das sehr hübsch. Wir sind doch alle irgendwie weitergekommen. Spirituell, dramatisch, menschlich.« (Jack Sparrow)

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