Denn sie leben noch
Kampagne zur Hilfe für Kriegsopfer im Osten
Wir werden ihnen ab Montag vor allem in Berlin begegnen - hoch betagten Opfern des deutschen Eroberungskrieges 1939 bis 1945 im Osten. Sie kommen aus Belarus, Russland und der Ukraine, haben Namen und Gesicht. Im Krieg waren sie Kinder, wurden Waisen, Gefangene, Zwangsarbeiter.
Unter dem trotzig-traurigen Titel »Ich lebe noch!« wird die Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« (evz) in der Hauptstadt mit sechs Porträts von ihnen um Aufmerksamkeit und Unterstützung für ihre Projekte werben. Das geschieht mit 500 beleuchteten Plakaten in U-Bahnhöfen, Tram- und Bushaltestellen, auf 38 digitalen Werbewänden und mit Postkarten in Theatern und Kultureinrichtungen. Im Internet gibt es die Seite www.ich-lebe-noch.info.
Die furchtbaren Schicksale der Männer und Frauen sind einzigartig und stehen doch für so viele andere. Die 81-jährige Regina Lawrowitsch berichtete zum Auftakt der Kampagne in Berlin vor Journalisten über ihre Verschleppung zur Zwangsarbeit am »Atlantikwall« bis nach Frankreich. Sie konnte in ihre Heimat Belarus zurückkehren. Doch bis in die 90er Jahre erfuhr nicht einmal ihr Ehemann von ihrem Schicksal als Lagerhäftling. Nicht nur ein unsagbares Schicksal, auch ein von der Mutter erzwungenes Schweigegelübde angesichts des brutalen stalinistischen Umgangs mit solchen Opfern versiegelte 25 Jahre lang ihren Mund.
Auf dem Hintergrund ihres Porträts sind sowjetische Zwangsarbeiterinnen in Berlin-Wilhelmshagen abgebildet. »So sahen wir aus«, sagt Regina Lawrowitsch. Wie die belarussischen Dörfer - auch mit ihren Einwohnern - brannten, zeigt das Bild mit Sinaida Lewanez. Im Minsker Ghetto sah Frida Rejsmann »vieles, was kein Kind sehen sollte«. Die Leningraderin Natalja Wetoschnikowa hatte erst drei Jahre nach Kriegsende keinen Hunger mehr.
Bis heute litten die Opfer des Nationalsozialismus - unter Einsamkeit, Armut, medizinischer Not, mahnte Stiftungsvorstand Günter Saathoff. Sie bräuchten Hilfe, die auch ankomme. Bis zum Jahrestag der Befreiung im Mai 2015 sollen zwei Millionen Euro vor allem auch von Großspendern aufgebracht werden.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.