Maduro macht aus der Not eine Tugend

Venezuelas Präsident kehrt Finanzmärkten den Rücken

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist die Flucht nach vorne: Wegen steigender Zinsen will sich Venezuela laut Präsident Nicolas Maduro kein Geld im Ausland mehr leihen. Man werde die Bedingungen der globalen, kapitalistischen Banken nicht akzeptieren und keine Darlehen mehr aufnehmen, sagte das linksgerichtete Staatsoberhaupt in einer Fernsehansprache. Das Land habe zum Glück andere Geldquellen. Das ist zwar richtig, denn China hat schon im Fall des seit der Pleite 2002 von den internationalen Kapitalmärkten abgeschnittenen Argentinien gezeigt, dass es bereit ist, Kredit aus seinen reichen Devisenbeständen von über zwei Billionen Dollar zu gewähren - gegen die Verpfändung künftiger Rohstofflieferungen, im Falle Argentiniens insbesondere Soja.

Die andere Devisenquelle, auf die Maduro abhebt, droht zwar nicht zu versiegen, doch sie ebbt ab: die Öleinnahmen. Vier Jahre war der Ölpreis konstant wie selten und mit rund 110 US-Dollar pro Barrel (159 Liter) auch relativ hoch. Für ein Land wie Venezuela, das über 90 Prozent seiner Deviseneinnahmen aus dem Verkauf des Schwarzen Goldes bezieht, ist die Entwicklung des Ölpreises von fundamentaler Bedeutung.

Statt bei 110 Dollar dümpelt der Ölpreis nun trotz der Krisen im Nahen Osten bei 83 Dollar. Das ist weit unter den in Venezuela für dieses Haushaltsjahr kalkulierten Margen und reißt eine Lücke in die Staatskasse.

Das grundlegende Problem Venezuelas ist die sogenannte Holländische Krankheit. In den Niederlanden wurde in den 1960er Jahren nach dem überraschenden Fund reichhaltiger Erdgasvorkommen zum ersten Mal festgestellt, dass sich Rohstoffreichtum in einen Fluch verwandeln kann. Der Zufluss von reichlich US-Dollar aus dem Rohstoffexport führt zu einer Aufwertung der eigenen Währung. Der angenehme Aspekt daran ist, dass sich die Importkapazität des Landes erhöht, sprich sich das Land mehr Güterimporte leisten kann. Der negative und schwer wiegende Nachteil besteht darin, dass einheimische Produzenten an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, sowohl gegenüber Importeuren als auch auf dem Weltmarkt, sofern es sich um Unternehmen handelt, die etwas anderes als Rohstoffe exportieren. Der Verlust an Arbeitsplätzen in jenen Sektoren ist fast unumgänglich. Die ganze Volkswirtschaft bekommt so mehr und mehr Schlagseite in Richtung des dominanten Rohstoffsektors, in Venezuela dem petrochemischen Sektor.

In Venezuela hat die Holländische Krankheit unter anderem die einheimische Landwirtschaft befallen. Das Land ist seit Jahrzehnten auf beträchtliche Nahrungsmittelimporte angewiesen, obwohl es potenziell an geeigneten Agrarflächen nicht fehlt. So ist Venezuela das einzige südamerikanische Land mit einer negativen Agrarbilanz.

Fakt ist: Venezuela braucht Kredit, um unter anderem auch die Ölindustrie wieder auf Vordermann zu bringen. Und Fakt ist: Zu den aktuellen Finanzmarktbedingungen kann sich Venezuela keine Kredite mehr leisten. Ein Verzicht ist dann weise, aber auch Ausdruck der Krise. Ein Ausdruck davon ist der Schwarzmarkt: Dort wird der US-Dollar für weit mehr als das Zehnfache des offiziellen Kurses gehandelt.

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