Von ZOB zu ZOB

Die neuen Fernbusse verbinden immer mehr bayerische Städte

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 7 Min.
In Deutschland gibt es immer mehr Fernbusverbindungen. So auch in Bayern, das von den Unternehmen als wichtiger Markt angesehen wird.

Der Zentrale Omnibusbahnhof (ZOB) an der Münchner Hackerbrücke ist ein 2009 fertiggestelltes, futuristisch anmutendes Gebäude. Obwohl seine äußere Form an die Silhouette eines ICE-Triebwagens erinnert, ist der ZOB, wie der Name eben sagt, eine Drehscheibe des Linien-Omnibusverkehrs. Von hier starten die Fernbusse zu weit entfernten Zielen in Europa, sie fahren bis nach Riga, Minsk oder hinunter bis in die Türkei. Und seit Jahresbeginn werden von hier auch deutschlandweit Städte wie Berlin oder Hamburg angefahren: Zuvor lag das Monopol des Linienfernverkehrs innerhalb Deutschlands bei der Bahn. Fernbusse dürfen erst auf Strecken ab 50 Kilometern fahren, auf den kürzeren Trassen will der Gesetzgeber die Bahn als Regionalverkehrsmittel schützen. Und so verbindet der ZOB mittlerweile über diese Fernstrecken auch die Städte Bayerns durch neue Linien und das mit steigenden Passagieraufkommen.

Der Zentrale Omnibusbahnhof an einem Mittwochvormittag: Der grüne Doppeldeckerbus mit der Aufschrift »Berlin« ist von Reisenden umlagert. Der Fahrer verstaut ihr Gepäck im Heck des Omnibusses, das dauert. Schließlich ist jeder Koffer und jede Tasche an ihrem Platz und der Einstieg beginnt. Dazu benötigt man den ausgedruckten Fahrschein aus dem Internet und einen Personalausweis. Ist beides vorhanden beginnt der Run auf die besten Plätze des Busses - ganz vorne im Oberdeck. Von hier gewährt die große Frontscheibe eine hervorragende Sicht auf Straße und Umgebung. Der Bus füllt sich schnell, meist sind es jüngere Reisende, aber auch etliche Senioren sind an Bord. Pünktlich um 11.30 Uhr rollt der Doppeldecker aus dem ZOB in Richtung Mittlerer Ring und nimmt Kurs auf Berlin.

Die Fahrt wird an die acht Stunden dauern. Das Flugzeug schafft die Strecke in gut einer Stunde, die Bahn braucht rund sechs Stunden, gleiches gilt für ein Auto mit Richtgeschwindigkeit 130 und ein oder zwei Pausen. Warum wählen Fahrgäste die langsamste Variante mit dem Fernbus? Die Antwort ist klar: Der Preis von um die 20 Euro für die einfache Fahrt ist unschlagbar. Selbst die Mitfahrzentralen verlangen eine höhere Pauschale, von den regulären Bahnpreisen um die 160 Euro ganz zu schweigen. Diese günstigen Tickets für die Fernbusse gibt es aber nur im Internet. Zwar lässt sich ein Fahrschein auch direkt am Bus vor der Abfahrt lösen, aber zum einen liegt dann der Fahrpreis um mehr als das Doppelte höher und zum anderen kann der Bus ausgebucht sein.

Der Fernbus ist inzwischen auf der Autobahn in Richtung Nürnberg unterwegs. Heute sitzt eine Fahrerin hinter dem Steuer und sie begrüßt die Fahrgäste per Mikrofon. Dann ein paar Informationen: Vorne im Bus gibt es einige kleine Snacks und Getränke zu kaufen. Ein Automat in der Busmitte liefert Kaffee. Und dort befindet sich auch die Bordtoilette. Freilich eher eine Sache für echte Notlagen. Der Toilettenraum ist so klein und beengt, dass man froh ist, wieder draußen zu sein. Währenddessen rollt der Bus mit stetem Tempo 100 durch die Lande.

Etliche Fernbus-Anbieter haben sich mittlerweile etabliert und starten vom Münchner ZOB aus, darunter die Unternehmen »MeinFernbus«, die ADAC-Postbuslinien und »Flixbus«. Die Firmen organisieren in der Regel den Linienverkehr und den Ticket-Verkauf, der Transport erfolgt über die Zusammenarbeit mit traditionellen Busunternehmen. Es sind junge Unternehmen: »MeinFernbus« zum Beispiel wurde im Juni 2011 in Berlin von zwei 39-jährigen Kaufleuten gegründet. »Flixbus« wiederum ist ein Münchner Unternehmen mit mittlerweile 122 Mitarbeitern, das 2011 aus der Taufe gehoben wurde. Der ADAC Postbus wird von der Deutsche Post Mobility GmbH, einem gemeinsamen Unternehmen der Deutschen Post und des ADAC, betrieben.

Inzwischen ist es 14.15 Uhr geworden und der Fernbus verlässt die Autobahn und fährt die Haltestelle im Fürther Hauptbahnhof an. Hier steigen etliche Passagiere aus und neue hinzu. Manche nutzen die Zeit, die für das Aus- und Einladen der Koffer benötigt wird, für eine kurze Zigarettenpause. Dann geht es auch schon wieder weiter. Die Busse sind dabei erstaunlich pünktlich, jedenfalls wenn auf der Autobahn keine größeren Staus zu verzeichnen sind. Beim Postbus heißt es etwa: »Eine Bilanz nach vier Monaten und rund 1,1 Millionen gefahrenen Kilometern hat ergeben, dass 91 Prozent der Busse püntklich sind - bei einer Branchen- und marktüblichen Toleranz von bis zu 15 Minuten.«

Für Bayern stellen die neuen Fernbuslinien eine Ergänzung der Reisemöglichkeiten mit der Bahn dar. Der Postbus zum Beispiel fährt aktuell bundesweit über neun Linien 30 Städte mit 60 Bussen an. In Bayern werden dabei die Städte München, Nürnberg, Augsburg und Würzburg bedient. Für »Flixbus« ist München nicht nur Unternehmenssitz, sondern auch zentrales Drehkreuz in Deutschlands Südhälfte: Derzeit starten von München aus 14 Buslinien des Unternehmens zu über 40 bundesweiten Zielen. Innerhalb Bayerns werden täglich die Städte Nürnberg, Erlangen, Würzburg und Bayreuth angesteuert. Mit »MeinFernbus« können derzeit von München aus 14 Städte in Bayern angefahren werden, darunter Augsburg, Garmisch und Regensburg.

Es ist 14.50 Uhr, als die Fernbuslinie 006 die Autobahnraststätte Münchberg anfährt, ein Fahrerwechsel ist angesagt. Für die Passagiere bedeutet dies eine 20-minütige Pause und alle nutzen diese, um sich die Beine zu vertreten, Toiletten aufzusuchen oder sich in der Raststätte mit Proviant zu versorgen. Die Busreisenden sind jetzt schon mehr als fünf Stunden unterwegs und man kennt sich mittlerweile ein wenig, jedenfalls über die Nachbarsitze hinweg. Die Atmosphäre »an Bord« ist recht locker, man sitzt näher zusammen als etwa im Zugabteil. Viel Auslauf im Bus hat man allerdings nicht. Schließlich geht die Fahrt weiter. Zuvor fragt der Fahrer noch über Mikrofon: »Sind alle Nachbarn da?« Man sei ja ein Linienbus und könne nicht auf Nachzügler warten.

Wie groß das Passagieraufkommen der einzelnen Linien ist, darüber schweigen sich die Unternehmen aus. »Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir Auslastungszahlen im Hinblick auf unsere Wettbewerber generell nicht veröffentlichen«, heißt es etwa bei »MeinFernbus«. Aber man sei mit dem Fahrgastaufkommen »sehr zufrieden«. Sei Bayern als das Bundesland mit der zweitgrößten Einwohnerzahl in Deutschland doch »ein wichtiger Markt mit einem hohen Kundenpotential«. Zudem sorgten sowohl Großstädte wie München und Nürnberg als auch touristisch attraktive Ziele wie das Allgäu oder die Alpen für ein großes Fahrgastinteresse für Reisen nach Bayern. Das Unternehmen will sein Streckennetz in Bayern weiter ausbauen.

Nicht geklappt hat es aber mit einer Fernbus-Linie von Landsberg am Lech nach München. Die wollte der in Mindelheim ansässige Busunternehmer Wolfgang Steber einrichten. Mit der Linie wurde es aber nichts, denn die Regierung von Oberbayern hat Stebers Antrag abgewiesen. Der Grund: Die Bahn braucht für die gleiche Strecke 58 Minuten. Eine Genehmigung für einen Fernbus gibt es aber erst, wenn der Zug mehr als eine Stunde braucht - also mindestens 61 Minuten.

Generell unklar ist die Zukunft der Fernbusse, was eine künftige Mautpflicht anbelangt. So sprach sich Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) dafür aus, auch die Fernbusse in die Lkw-Maut einzubeziehen. Denn es gebe keinen Grund, Busse anders zu behandeln als Lkw. Das aber würde, so Kritiker, das Aus für die Fernbusse bedeuten. Denn damit würde deren Wettbewerbsvorteil - der günstige Fahrpreis - entfallen. »Ich gehe davon aus, dass die Ticketpreise für Fernbusse um rund 20 Prozent steigen würden, wenn die Maut auch für Busse eingeführt wird«, so Matthias Schröter, Sprecher des Bundesverbandes deutscher Omnibusunternehmer.

Es ist 18.30 Uhr, als der Fernbus vom Avus in Berlin abfährt und Kurs auf den Berliner ZOB an den Messehallen nimmt. Als er dort ankommt, ist der Fahrplan nur ein paar Minuten überschritten. Die Passagiere sind nach acht Stunden Fahrt froh, ihre Glieder recken zu können. Die Reise war sehr unproblematisch, wenn auch etwas beengt. Jetzt geht es noch um die Gepäckausgabe, der Fahrer reicht die Koffer aus dem Laderaum. Derweil warten schon wieder die neuen Fahrgäste in Richtung München.

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