Endstation EU-Grenzkontrolle

Flüchtlinge haben fast keine Chance offiziell in die EU einzureisen - versuchen sie es, werden ihre Grundrechte dort oft mit Füßen getreten

  • Lesedauer: 3 Min.
Flüchtlinge, die in die EU wollen, nehmen fast immer die gefährlichen Wege übers Meer oder die Zäune von Melilla und Ceuta. An den Grenzkontrollpunkten oder Flughäfen ist die Zahl der Asylgesuche extrem gering - kein Wunder, wie ein Bericht der EU-Grundrechteagentur feststellt. Dort fehlt es an Beratung, Menschlichkeit und manchmal sogar an Nahrung und Wasser.

Wien. Asylsuchende Menschen haben nach wie vor fast keine Chance, auf dem Landweg legal in die Europäische Union zu gelangen. Das berichtet die EU-Grundrechteagentur FRA in Wien, die am Montag zwei Studien über die Situation an sechs europäischen Außengrenzübergängen und an fünf Flughafenübergängen vorstellte. »Die Zahl der Asylgesuche an den Grenzkontrollpunkten ist extrem gering«, heißt es in dem Bericht. Das liege in vielen Fällen daran, dass Menschen ohne gültiges EU-Visum gar nicht erst am Ausreise-Kontrollposten des angrenzenden Nicht-EU-Landes vorbei kämen.

Eine Ausnahme bildete 2014 Polen, das seine Grenze für Flüchtlinge aus der Ukraine offen halte, erläutern die Grundrechteexperten. »Die EU-Grenzen sind die ersten Stellen, an denen die EU mit der Außenwelt in Kontakt tritt. Genau hier beginnt die Verpflichtung der EU zur Wahrung der Menschenrechte«, erklärt FRA-Direktor Morten Kjaerum. Die Kritik am bestehenden Prozedere verpackt die EU-Agentur in Empfehlungen an die EU-Mitgliedsstaaten, die Grenzschutzagentur »Frontex« und an die Zollbeamten.

Aus diesen Empfehlungen lässt sich jedoch deutlich das teilweise unmenschliche Geschehen an den EU-Außengrenzen ablesen: Grenzschutzbeamte seien zwar zu professionellem und respektvollem Verhalten angehalten, aber Reisende berichteten immer wieder über wenig hilfsbereite, unfreundliche Grenzbeamte und einen aggressiven Umgangston. Die EU-Mitgliedstaaten sollten daher wirksame Maßnahmen ergreifen, um schwerwiegende Formen respektlosen Verhaltens gegenüber den Ankommenden zu unterbinden. Zudem hätten weniger als die Hälfte der Grenzschutzbeamten auf Flughäfen angegeben, dass sie Personen, die beim Grenzübertritt eingehenden Kontrollen unterzogen werden, den Grund dieser intensiven Kontrolle überhaupt mitteilen. Schriftliche Informationen über das europäische Asylverfahren oder gar einen Rechtsbeistand gäbe es normalerweise ebenfalls nicht.

An den Land-Grenzübergangsstellen gaben laut Grundrechte-Agentur dann auch zwei von drei befragten Grenzschutzbeamten an, dass sie auch dann kein Asylverfahren einleiten würden, wenn Reisende angeben würden, dass bei der Rückkehr in ihr Herkunftsland ihr Leben oder ihre Freiheit in Gefahr wäre. Anleitungen zur Identifikation von Opfern von Menschenhandel seien ebenfalls Mangelware. Dafür würden Migranten, denen die Einreise verweigert wurde oder die keine Reisedokumente vorlegen können in unzureichend ausgestatteten Räumen zuweilen mehrere Stunden lang festgehalten werden; auf einigen Flughäfen wurden Einreisewillige sogar mehrere Tage lang festgehalten. Wie es dort aussieht, mag sich jeder ausmalen, der die letzte Empfehlung der FRA liest: Die EU-Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass in Einrichtungen, in denen Personen festgehalten werden, denen die Einreise in die EU verweigert wird, eine Mindestversorgung, unter anderem mit Nahrung und Wasser, gewährleistet ist.

All diese Mängel könnten zu schweren Grundrechtsverletzungen führen, etwa der Zurückweisung von Menschen, denen in ihrer Heimat Folter drohe. Angesichts der Schwierigkeiten komme die große Mehrheit der Flüchtlinge ohne Reisedokumente über eine »grüne Grenze« der EU, erläutert die Grundrechteagentur. stf/mit Agenturen

Den vollständigen Bericht zur Situation an den Flughäfen finden sie zum Download hier (englisch), den Bericht zu den Außengrenzkontrollpunkten zum Download hier (ebenfalls nur in Englisch verfügbar).

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