Wut und Hass
Velten Schäfer über den Kampf gegen Antisemitismus und den Gazakrieg
Moderner Antisemitismus hat nach akademischen Begriffen drei Gestalten: Die klassische Form ist der »Sozialismus der dummen Kerls« - eine Welterklärung, die Krisen dem »Weltjudentum« zuschiebt. Besonders hierzulande ist zudem »sekundärer« Antisemitismus verbreitet, der Groll der Deutschen, die »den Juden Auschwitz nicht verzeihen« können.
Unklarer umrissen, aber sehr aktuell ist indes ein drittes Sentiment, das erst kürzlich die Evangelische Kirche sowie nun der Außenminister als besorgniserregendste Form des Antisemitismus gegeißelt haben und um das es auch beim »Toilettengate« der Bundestagslinken ging: jener »Hass auf Israel«, der bei den Protesten oft arabischstämmiger Jugendlicher gegen den jüngsten Gazakrieg sichtbar wurde.
Bei dieser tertiären Form aber betritt man vermintes Gelände. Richtig ist, dass auf Kundgebungen - neben sogar dem vormodern antijüdischen Kindermördertopos - Thesen vom »Weltjudentum« anzutreffen waren: klassisch antisemitische Figuren, die sich in inakzeptabler Feindseligkeit gegen Unbeteiligte äußerten. Doch richtig ist auch, dass der Anlass dieser Proteste nicht vergessen werden darf. Wut und Hass sind schwer zu trennen; doch wer die Wütenden von 2014 mit den Hassern von 1934 einfach gleichsetzt, betreibt auch eine sehr spezielle Vergangenheitsbewältigung.
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