»Pille danach« bald ohne Rezept
Nach EU-Empfehlung wechselt CDU den Kurs
In der Hälfte aller europäischen Länder ist die »Pille danach« rezeptfrei, darunter Frankreich, Irland, Großbritannien oder Österreich. Ihr Wirkstoff verzögert den Eisprung bei einer Frau bis die Spermien abgestorben sind. Diese Wirkungsweise ist gut erforscht und nebenwirkungsarm, die Anwendung einfach und medizinisch unbedenklich. Spezialisten der Weltgesundheitsorganisation und auch des bundesdeutschen Institutes für Arzneimittel und Medizinprodukte haben das vor mehr oder weniger langer Zeit ausführlich dargestellt. Erst vor wenigen Monaten hatte der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, die Rezeptpflicht für diese Mittel aufzuheben.
Geschehen ist allerdings nichts, denn die Union und der christdemokratische Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe vertraten bisher den Standpunkt, die Wirkstoffe riefen Nebenwirkungen hervor und dürften nur vom Arzt verschrieben werden. Fachleute hatten dies allerdings längst widerlegt. So sind nach Angaben der Grünen aus dem März 2014 bei rund fünf Millionen Anwendungen lediglich zwei Thrombosen als Nebenwirkung aufgetreten.
Jetzt könnte Bewegung in die Sache kommen. Am Freitag hatte die Europäische Arzneimittelagentur eine Aufhebung der Verschreibungspflicht für das Präparat »ellaOne« empfohlen. Folgt die Europäische Kommission in ihrem Beschluss dieser Empfehlung, muss für das Medikament mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat auch in Deutschland die Rezeptpflicht aufgehoben werden.
Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums bestätigte am Mittwoch gegenüber »nd«, dass die Empfehlungen des EU-Arzneimittelausschusses geprüft würden. In einer von der Behörde verbreiteten Erklärung des Bundesgesundheitsministers kündigt dieser für den Fall einer Abschaffung der Rezeptpflicht eine intensive Beratung in den Apotheken an. »Ich werde dann die Frauenärzte, die Apotheken und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte dazu einladen, gemeinsam Kriterien für eine qualitativ hochwertige Beratung zu entwickeln.«
Kathrin Vogler von der Linksfraktion im Bundestag fordert, dass zeitnah eine entsprechende Verordnung erlassen und Frauen der Weg zu diesen Notfallverhütungsmitteln nicht länger unnötig erschwert wird. Auch die SPD begrüßte den Kurswechsel. Frauen könnten das Medikament auch ohne ärztliche Verschreibung sicher anwenden, so die Gesundheitspolitikerinnen Hilde Mattheis und Mechthild Rawer. Endlich setzten sich wissenschaftliche Erkenntnisse durch. SPD, Grüne und Linke hatten sich in der Vergangenheit mehrmals für die Aufhebung der »Pille danach«, die nach unverhütetem Geschlechtsverkehr eine Schwangerschaft verhindern kann, ausgesprochen.
Ob aber die von der Linkspartei erhobene Forderung umgesetzt wird, dass auch für rezeptfreie Notfallverhütungsmittel Regelungen zur Erstattungsfähigkeit geschaffen werden, damit für sozial benachteiligte Frauen keine finanziellen Hürden entstehen, bleibt unklar. Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn lehnt das jedenfalls ab. Kommentar Seite 4
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