Russland kappt Pipelinebau

Erdgasleitung South Stream durch das Schwarze Meer wird nicht gebaut

  • Axel Eichholz, Moskau und Thomas Roser, Belgrad
  • Lesedauer: 3 Min.
Russland stellt den Bau der South-Stream-Pipeline unter dem Druck des Westens ein. Jetzt soll Erdgas in die Türkei geliefert werden.

Die Erdgaspipeline South Stream wird nicht gebaut. Das sagte der russische Präsident Wladimir Putin am Montag nach Abschluss seiner Gespräche mit dem türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan in Ankara. Wenn Europa das Projekt nicht umsetzen wolle, dann werde es eben nicht umgesetzt, so Putin.

South Stream war vor allem ein politisches Projekt. Über eine Strecke von 2380 Kilometern sollte eine Leitung durch das Schwarze Meer Westeuropa mit russischen Gasvorkommen verbinden und die Ukraine als Transitland ausschalten. Die EU sträubte sich dagegen, aus Rücksicht auf Kiew und aus wettbewerbsrechtlichen Gründen. Man präferierte das Nabucco-Projekt für den Gastransport aus Aserbaidschan und Turkmenistan durch das Schwarze Meer nach Europa - dieses wurde aber mangels ausreichender Liefermengen aufgegeben.

Bei der Absage konnte sich Putin eine Spitze gegen die EU nicht verkneifen. Bulgarien sollte sich den entgehenden Gewinn von Brüssel ersetzen lassen: mindestens 400 Millionen Euro jährlich an Transitgebühren. Sofia habe das Projekt unter dem Druck des Westens auf Eis gelegt.

Tatsächlich stehen die Transitländer Bulgarien, Serbien und Ungarn jetzt ziemlich dumm da. Belgrads Regierungschef Aleksander Vucic erklärte, sein Land werde einen »hohen Preis« für die Absage bezahlen. Und Ungarn, dessen Regierung den Bau des eigenen Streckenabschnitts von South Stream per Gesetz zu beschleunigen versuchte und in diesem Monat den ersten Spatenstich plante, kündigte an, man wolle jetzt neue Energiequellen erschließen. Dies sei unumgänglich, um die Versorgung langfristig zu sichern, sagte Außenminister Peter Szijjarto. Die EU-Kommission will in einer Woche mit den acht betroffenen Staaten über andere Wege der Gasversorgung beraten.

Auch der russische Staatskonzern Gazprom bekommt Probleme. Er hat laut der Zeitung »Kommersant« die Vorbereitungsarbeiten für die Verlegung der ersten Strecke am Schwarzmeerboden abgeschlossen. Die erste Rohrlieferung ist in Warna eingetroffen. Russland hat bereits 6,4 Milliarden Euro in das Projekt investiert. Doch die Energiemacht ist wegen des niedrigen Ölpreises und der westlichen Sanktionen geschwächt. Für 2015 rechnet Moskau inzwischen mit einer Rezession. Beobachter schließen nicht aus, dass dies zum Pipeline-Aus beigetragen haben könnte.

Gazprom hatte die Lieferkapazität eigens für South Stream ausgebaut, so dass sich nun die Frage stellt: wohin damit? Die Antwort darauf glaubt Putin gefunden zu haben: Ein Strang der Pipeline soll in die Türkei verlegt werden. Laut Gazpromchef Alexej Miller erhält Ankara selbst 14 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr. Weitere 50 Milliarden sollen an die türkisch-griechische Grenze geliefert und dort EU-Abnehmern übergeben werden. Um diese Mengen könnte der Ukraine-Transit verringert werden. Serbien, kleinere Balkan-Länder und vor allem das für Gazprom wichtige Italien müssten aber weiterhin über die Ukraine versorgt werden.

Kiew bekommt damit einen wichtigen Trumpf bei den Verhandlungen über die Transitbedingungen in die Hand. »Kommersant« glaubt, dass Kiew verlangen wird, die Übergabe der Gaslieferungen von seiner Westgrenze an die russische Grenze vorzuverlegen. Dadurch bekäme man direkten Kontakt zu den EU-Ländern.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal