»In Spanien droht ihm erneut schwere Folter«

Der baskische Anwalt Jonan Lekue über einen angeblichen ETA-Führer an der Uni Freiburg und Erwartungen an Deutschland

  • Lesedauer: 3 Min.
Im Oktober wurde der international gesuchte Tomas Elgorriaga in Mannheim verhaftet. Der 51-Jährige soll »hochrangiger Funktionär« der baskischen Untergrundorganisation ETA sein. Ralf Streck sprach mit dem baskischen Anwalt Jonan Lekue, Sprecher der Familie.

Ist es normal, dass »ETA-Führer« an der Universität studieren und danach mit Lehraufträgen arbeiten?
Der spanische Staat hat den Vorwurf, zur ETA zu gehören, immer weiter ausgedehnt. Politiker, Journalisten, Professoren werden als ETA-Mitglieder bezeichnet, verhaftet und bisweilen gefoltert, wenn sie wie die ETA für ein unabhängiges, vereintes und sozialistisches Baskenland eintreten. Inhaftiert wurden sogar Politiker, Gewerkschafter und Aktivisten, die sich deutlich gegen deren Gewalt ausgesprochen haben. Deshalb überraschen die Vorwürfe gegen Elgorriaga nicht. Dass er Führungsmitglied sein könnte, ist völlig absurd. Das ist in einer solchen Organisation, die in ganz Europa verfolgt wird, eine aufreibende Arbeit und lässt sich kaum neben Studium und Forschungstätigkeit erledigen. Beispiele dafür gibt es bisher keine.

Wieso floh er dann aber vor mehr als 15 Jahren aus dem Baskenland?
Er war in seiner Heimatstadt in politischen und kulturellen Basisgruppen aktiv. 1998 wurde er wegen angeblicher Unterstützung der ETA verhaftet und gefoltert. Er kam nach sechs Monaten auf Kaution frei. Das Risiko, erneut verhaftet zu werden, war groß. Deshalb floh er. Menschenrechtsorganisationen kritisieren immer wieder, dass Basken dort gefoltert werden. Erst kürzlich verurteilte der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg Spanien erneut.

Wie ist seine Situation jetzt?
Er sitzt weiter in Mannheim in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft hat ihn auf Basis eines internationalen Haftbefehls festnehmen lassen. Sie wirft ihm Urkundenfälschung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor. Ihm droht zudem die Auslieferung nach Frankreich. Dort wurde er in Abwesenheit, ohne sich verteidigen zu können, wegen ETA-Mitgliedschaft verurteilt.

Warum versucht die Familie, die Auslieferung nach Frankreich zu verhindern?
Auch in Frankreich erwartet ihn eine Ausnahmesituation. Baskische politische Gefangene werden dort gezielt »zerstreut« und heimatfern inhaftiert. Trotz Folter in Spanien schiebt Frankreich Basken dorthin ab oder »verleiht« sie für Prozesse. Ein faires Verfahren kann er vor spanischen Sondergerichten nicht erwarten und und ihm droht erneut schwere Folter.

Welche Initiativen gibt es zu seiner Unterstützung?
In den nächsten Tagen finden Informationsveranstaltungen in Freiburg, Heilbronn und Mannheim statt. Kürzlich gab es eine Kundgebung in Berlin. In einer Stellungnahme sprechen sich Wissenschaftler, Politiker und Juristen, darunter die LINKE-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko und Stefan Liebich, Professor Elmar Altvater und der Schriftsteller Raul Zelik, gegen die Abschiebung Elgorriagas aus und fordern Deutschland und die EU auf, sich für die Weiterführung des Friedensprozesses einzusetzen. Auch die Frage der baskischen Flüchtlinge müsse gelöst werden.

Spanische Medien berichten, in Freiburg sei bei dem »Bombenspezialisten« Material zum Bombenbau gefunden worden. Was ist davon zu halten?
Die Polizeiakten sind uns noch immer nicht im Detail bekannt. Spanien kommt oft mit falschen und manipulierten Berichten. Bisweilen werden angebliche ETA-Führer sogar trotz Foltergeständnissen von spanischen Gerichten freigesprochen, weil Beweise wie Zeugenaussagen, Fingerabdrücke, DNA fehlen.

In welchem politischen Kontext stehen diese Vorgänge?
Vor drei Jahren hat die ETA ihren bewaffneten Kampf definitiv beendet. Die baskische Linke versucht seit langem, einen Friedens- und Normalisierungsprozess anzustoßen. Nur Spanien und Frankreich verweigern sich dem politischen Dialog und beteiligen sich nicht einmal an der Entwaffnung der ETA. Statt eine demokratische Lösung zu fördern, setzen sie weiter auf polizeiliche Maßnahmen, um am Status quo nichts zu verändern.

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