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Abscheu und Aufklärung

Die Politik sucht nach Strategien, wie sie mit den Pegida-Protesten umgehen soll

Reflexartig übten Landes- wie Bundespolitiker anfangs scharfe Kritik an Pegida. Doch mittlerweile wächst die Bereitschaft, die Ängste und Vorurteile von rechten Mitläufern ernst zu nehmen.

Die Pegida-Kundgebung vom Montagabend in Dresden wirkt noch immer nach. Erstmals ist es den Veranstaltern unter dem Slogan »Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« gelungen, mehr als 10 000 Menschen für ihre fremdenfeindlichen Ziele auf die Straße zu bekommen. Der Rechtsextremismusforscher Hajo Funke sieht nach den wochenlangen Protesten bereits Ansätze einer rechtsextremen Massenbewegung. Auch der Leipziger Politologe Gerd Pickel geht nicht davon aus, dass das Phänomen Pegida ein Strohfeuer ist, das sich schnell von selbst erledigt. Xenophobe Ressentiments sind offenbar fest in der Gesellschaft verankert, was in Zeiten, in denen Deutschland wieder mehr Flüchtlinge aufnimmt, deutlich in Erscheinung tritt.

Längst ist in Sachsen ein Rechtsruck zu beobachten. Rückhalt finden die Pegida-Anhänger bei der populistischen AfD, die im August in den Dresdner Landtag gewählt wurde. Zwar rief am Montagabend erstmals ein breites Bündnis in Dresden zu einem Sternmarsch gegen Pegida auf, an dem 9000 Menschen teilnahmen. Aber noch suchen fast alle politischen Akteure in Dresden wie im Berliner Regierungsviertel nach einer Strategie, um mit den Ängsten und Vorurteilen eines beträchtlichen Teils der Bevölkerung gegenüber Fremden umzugehen.

Unmittelbar nach den Montagsprotesten überwog noch eine harsche Kritik gegenüber den Rechtspopulisten. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nannte die Pegida-Gruppierung, die bereits Nachahmer in Düsseldorf, Kassel und Ostfriesland hat, schlicht eine »Unverschämtheit«. Ähnlich empört reagierte der SPD-Fraktionsschef Thomas Oppermann: »Pegida macht auf unsägliche Weise Stimmung gegen Ausländer in Deutschland«, erklärte er. Ins gleiche Horn stieß am Dienstag Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU). Er bezeichnete es als »niederträchtig«, wenn aus dem Schicksal von Flüchtlingen Kapital geschlagen werde.

Tags darauf gab sich der Ministerpräsident jedoch diplomatischer und warb für einen Dialog mit den Teilnehmern an den Pegida-Demonstrationen, die unter anderem eine strengere Asylpolitik mit konsequenten Abschiebungen fordern. Tillich bemühte sich um Aufklärung: Es müsse deutlicher werden, dass es sich bei den Asylsuchenden überwiegend um Menschen handele, die aus dem Bürgerkrieg in Syrien, Irak oder aus anderen Krisenregionen geflohen seien, sagte er der Zeitung »Die Welt«.

Für einen Dialog mit Pegida-Anhängern stehe Dresden schon lange, erklärte dagegen Helma Orosz (CDU), Oberbürgermeisterin der Stadt. Man habe deshalb in den vergangenen Wochen wiederholt auf öffentlichen Veranstaltungen über die steigenden Flüchtlingszahlen informiert. Sie habe aber bislang nicht den Eindruck, an die Menschen herangekommen zu sein, erklärte sie dem MDR.

Ähnliche Erfahrungen machte der Vorsitzende der SPD in Dresden, Chrisitan Avenarius, der von Rechtsradikalen immer wieder wüst per E-Mail beschimpft wird. Bereits seit Wochen ist die Stimmung in Dresden aufgeheizt. Avenarius gibt sich keinen Illusionen hin - alle Pegida-Anhänger könne man sicherlich nicht erreichen, erklärte er gegenüber »nd«. Der Sozialdemokrat plädiert zwar für eine eine Gesprächsbereitschaft insbesondere gegenüber schweigenden Pegida-Mitläufern, ohne dabei jedoch den Forderungen der Rechtspopulisten nachzugeben.

Das sieht Lorenz Caffier (CDU), Innenminister in Mecklenburg-Vorpommern, gänzlich anders. Die Bundesregierung bekomme mit den Demonstrationen »ins Stammbuch geschrieben, dass die Flüchtlinge in Europa gerecht verteilt werden müssen«, sagte Caffier der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Darüber wolle er auch auf der Innenministerkonferenz sprechen, die am Donnerstag in Köln beginnt. Pegida-Anhänger dürften sich freuen, stoßen ihre Forderungen doch auf Resonanz.

Auf der Konferenz wird das Thema aber aller Voraussicht nach kontrovers diskutiert werden. Boris Pistorius, sein sozialdemokratischer Amtskollege aus Niedersachsen, verfolgt nämlich einen ganz anderen Ansatz: Er sieht sich keinesfalls als Erfüllungsgehilfe der Rechtspopulisten, sondern will mit gezielten Aufklärungskampagnen über Muslime den Zulauf von islamfeindlichen Gruppen stoppen. Denn »Islam-Angst wird von den Rechten als Trittbrett missbraucht«. Davon ist Pistorius überzeugt.

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